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„Weder Schmusetier noch reißende Bestie“

oder

Warum sollte sich auch nur irgendetwas geändert haben?

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In der hiesigen Tageszeitung „Westfälische Rundschau“ und „Westfalenpost“, beide der WAZ- Gruppe zugehörig, erschien gestern (12. Juli 2016) folgender Artikel (auch nachzulesen hier):

16-07-12-WP-Wolf-Artikel

Na ja. Nun habe ich es mittlerweile aufgegeben, Leserbriefe an die WR oder WAZ zu schreiben, die in irgendeiner Weise Kritik durchklingen lassen an BUND, NABU, Grünen, denn das ist vergebene Liebesmüh und fällt regelmäßig durch die interne Zensur im Verlag, verschwindet im Medien- Orkus. Es ist aber auch unmöglich, auf solche Beiträge in die paar Zeilen eines Leserbriefs das an Information hineinzupacken, was hinein gehörte. Deswegen poste ich bei so etwas lieber in meinem Blog, da geht wenigstens nichts unter; man kann das ja als offenen Brief verstehen. Irgendwie muss man, denke ich, Stellung nehmen, auch wenn man das Gefühl hat, gegen Windmühlenflügel zu kämpfen bei der vereinten Front der Weltverbesserer. Trotzdem muss man reagieren, finde ich, aus dem einfachen Grund, weil auch in diesem Beitrag einmal mehr vieles, was darin gesagt wird, schlicht unwahr ist, fast der ganze Rest verzerrt dargestellt wird.

Zunächst mal: Der Titel klingt toll. „Weder Schmusetier noch reißende Bestie.“ Da bekommt man Lust zu lesen. Nur leider folgt dann statt einer sachlichen Gegenüberstellung, pro und contra, wie im Titel ja eigentlich implizit angekündigt, nur noch die Schmusetour. Ich hab´s eigentlich erwartet, und außer mir auch noch viele andere, wie man vermuten kann: Ganze 30 Teilnehmer haben sich verlaufen, trotz wochenlanger Werbetrommelei. Warum? Klare Antwort: Wenn man sieht, dass die Referenten ein Meeresbiologe und ein BUND- Funktionär sind, wundert das niemanden. Jemand, der in der Materie drin ist, erwartet da einfach nichts Substantielles außer der Bedienung von Klischees und dem Verbreiten von Plattheiten. Und der Bericht bestätigt das. Die üblichen Spielereien: Kuscheln, runterreden – und verdrehen.

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Die Fakten und die Toten

Z. B. die Bemerkung, dass in den letzten 66 Jahren lediglich 4 Menschen (in Spanien) von Wölfen getötet wurden. Da fragt man sich erstens: Warum so eine exakte Zahlenangabe, 66 Jahre? Dann: Warum wird so peinlich vermieden zu sagen, dass das ausschließlich Kinder waren (siehe Kotrschal weiter unten)? Ich meine, die Szene kennt die Wirkung, und wenn es für eigene Ziele in den Kram passt, wird so ein emotionaler Gaul gnadenlos geritten.

Kommen wir nur zu den 66 Jahren. Wenn man das so festlegt, kann man alles, was davor lag, elegant ausblenden, denn streng genommen hat man ja nicht gelogen. Bewährte Methode also. Doch noch nicht mal dabei macht man sich die Mühe, zumindest einigermaßen konkret, vor allem korrekt und zitierbar zu sein, Quellen zu nennen. Ein Zeichen dafür, für wie dumm diese Leute ihr Ziel, den Bürger, halten (Die glauben eh alles, die Dämlacken, da wird nichts überprüft,  wir sind ja schließlich die Guten!). 

Ich traue mich aber mal, nachzufragen, die Guten hin oder her. Z. B., wie kommen die auf genau 66 Jahre? 

Prompt wird´s ein wenig rätselhaft. Es ist 59 Jahre her, dass das erste der vier spanischen Kinder, (die ja wohl mit den angegebenen vier Menschen in Spanien gemeint sind, andere Quellen sprechen übrigens von sieben Kindern) von Wölfen getötet wurde (1957), das letzte 1974. Bei den fünf toten polnischen Kindern von 1937 klappt die Arithmetik allerdings wieder: Länger als 66 Jahre her, braucht man nicht zu erwähnen. Zufällig ist es aber 66 Jahre her, um das Jahr 1950 herum nämlich, dass der Tod bzw. das spurlose Verschwinden von 36 Kindern in der russischen Kirov- Region nach den gefundenen Spuren Wölfen zugeschrieben werden musste. Damals natürlich nicht offiziell, das durfte ja nicht sein im real existierenden Sozialismus.

Aber noch nicht einmal das ist alles an vorsätzlicher Fehlinformation.

Zunächst mal ist es so: Dass in den letzten 66 Jahren in Europa so wenige Menschen Opfer wurden, liegt ganz einfach daran, dass sie so gut wie verschwunden waren, die Wölfe. Massakriert, wie das im Artikel so neutral ausgedrückt wurde. Und trotzdem: Obwohl sie so gut wie verschwunden waren, hat es jederzeit Tote gegeben, anders als die „Experten“ G. Wörner und Dieter Heide es so fröhlich in die Welt posaunen. Noch in den späten 1980-er Jahren, listet Hans Kruuk in seinem Buch „Hunter and Hunted: Relationships between Carnivores and People“ auf, sind in Nordeuropa (Russland und Weiß- Russland) Kinder und Erwachsene auf ihrem Weg durch winterliche Wälder ganz offensichtlich durch Wölfe erbeutet worden. Und ich verwende das Wort „erbeutet“ ganz bewusst.

Der letzte Fall aus dieser Zeit und Gegend: Der 60- jährige Michael Amosov ging am 21. Feb. 1996 durch den Wald nach Hause. Er kam nie an. Man fand im Schnee Spuren eines Kampfes, viel Blut und viele Wolfsspuren. Von Amosov keine Spur mehr, kein Stück Kleidung, nichts. Kurt Kotrschal 1) („Wolf –Hund – Mensch“, Brandstätter Verlag Wien, 2012) schreibt dazu:

„Der Fall ist keine Ausnahme. Meist bleibt vom Opfer hungriger Wölfe nichts übrig.“ Und weiter: „In derselben Gegend fiel zwei Monate früher ein 55-jähriger Holzfäller Wölfen zum Opfer, was durch die ganz wenigen Überreste zu belegen war.“ Und weiter: „Und nochmals zwei Wochen früher erwischte es ein 9-jähriges Mädchen, das ihr Lehrer bis nach Einbruch der Dunkelheit (zur Bestrafung) in der Schule behalten hatte. Den Lehrer erschoss der Vater, vom Kind blieb nur der Kopf.

Machen wir weiter mit Kotrschal:

„In den vergangenen 20 Jahren wurden in den Provinzen Uttar Pradesh, in Bihar und in Andhra Pradesh eine Reihe von Vorfällen untersucht, bei denen mindestens 273! Kinder Wölfen zum Opfer gefallen sein sollen. Die belegten Wolfsattacken ergeben ein klares Bild: Beutemotivierte Angriffe erfolgen in Eurasien zu etwa 90 % auf Kinder vor der Pubertät. Die restlichen 10 % machen vorwiegend Frauen aus. Erwachsene Männer werden dagegen selten angegriffen. In einigen Fällen rissen übrigens die Serien ab, wenn eine bestimmte Wölfin erlegt wurde. Dies unterstreicht die Möglichkeit, dass Wölfinnen eher dazu neigen, ihr Beutespektrum auf Menschen auszudehnen, während Attacken durch Rüden vorwiegend verteidigungsmotiviert zu sein scheinen. In ihrer Bevorzugung von Kindern als menschliche Beute zeigen sich im Übrigen die natürliche Vorsicht von Wölfen und ihre generelle Vorliebe für schwache und ungefährliche Beute.“

273 tote Kinder und Frauen in Indien – nur Inder? Zählen die nicht unter „Todesopfer“? Und das alles nur die Todesfälle, die erwiesen nicht tollwütige Wölfe verursacht haben. Nur nebenbei erinnere ich an den Fall des Studenten Kenton Carnegie, der im November 2005 in Kanada morgens beim Joggen von Wölfen angegriffen und getötet wurde. Im Mai 2010 wurde die Lehrerin Candice Berner im Südwesten Alaskas Opfer eines Wolfsangriffs. November 2005, Mai 2010. Das ist nun gewiss keine 66 Jahre her.

So weit Kruuk und Kotrschal. Und die beiden sind keine Wolfshasser, das genaue Gegenteil ist der Fall, man lese ihre Bücher. Aber im Gegensatz zu den Referenten in Mecklinghausen sind sie ehrlich. Kotrschal verweist auf die Studie „The fear of wolves: a review of wolf attacks on humans“ des NINA (Norsk Institut for Naturforskning), in der 18 wirkliche Wolfsexperten mal beschreiben, wie´s tatsächlich aussieht an der Wolfsfront. Ganz bestimmt nicht so, wie die Herren Heide und Wörner das so freundlich lächelnd in die Federn diktieren. Die Studie datiert aus dem Jahr 2001!!

Das Schlimme ist: Heide und Wörner und natürlich NABU, BUND etc. wissen das alles. Das kann man ja wohl getrost voraussetzen, denn sie sind ja allesamt Wolfs- „Experten“. Denn wenn ein „Experte“ eine 15 Jahre alte Studie nicht kennt, die in ihrer Wichtigkeit noch dazu eine wesentliche Grundlage für die Wolfsforschung ist, dann wäre es mit der beanspruchten Expertise nicht weit her, meine ich.  Ich persönlich bin kein Experte, habe bisher keine Wölfe erforscht, nur zusammen mit ihnen gejagt. Die machten ihre Tour, ich meine, als Nachbarn und Kollegen, in den USA, in Russland, in Sibirien, in den Karpaten. Wir haben uns gegenseitig nicht gestört, man akzeptiert und respektiert sich halt. Man weiß dann zwar ungefähr, wie der andere tickt und jagt, aber mehr lernt man nicht.

Weil ich trotzdem neugierig war, habe ich viel über sie gelesen; wir können das schließlich. Allerdings von wirklichen Wolfsexperten und Forschern wie Erik Zimen, L. David Mech, Bob Hayes, mit Abstrichen Günter Bloch und eben Kurt Kotrschal, der meiner Meinung nach auf dem Gebiet im deutschsprachigen Raum (er selbst ist Österreicher, so viel ich weiß), wenn nicht in Europa führend ist. Da kann man ungeheuer viel lernen, da kann man dann alles das auch lesen, was ich weiter oben angeführt habe. Wenn jemand dann aber trotzdem solche Aussagen macht wie „seit 66 Jahren …“, dann kann das ja wohl nur zwei Gründe haben: Entweder belügt er die Leute bewusst, oder er hat schlicht und einfach keine Ahnung. Dann sollte man sich aber um Himmels Willen nicht als Wolfs- „Experte“ vorstellen. Und ganz, ganz schlimm wäre es, wenn beides zuträfe. Also Experte sein und lügen  ….

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Zur Hauptsache 

Nun haben wir das zurechtgerückt, kommen wir jetzt zur Hauptsache: Ich persönlich und viele andere Jäger, die ich kenne, haben absolut nichts gegen Wölfe. Ganz im Gegenteil, wie man meinen verschiedenen Beiträgen auf diesem Jagdblog entnehmen kann (https://ein-jagdmensch.com/der-wolf-der-verlorene-sohn/); erstens könnten wir uns ja wehren, und Rehe haben wir wirklich genug. Viel wichtiger ist: Keine streunenden Hunde mehr, keine Katzen im Revier, Füchse, Waschbären müssen sich auch warm anziehen – sowas vereinfacht das Leben, wenn man als Jäger für die Allgemeinheit für viele Milliarden €uro im Jahr Aufgaben erfüllt, die sonst der Staat übernehmen müsste, steuerfinanziert und damit sauteuer, wie alles, was Staatsaufgabe ist (https://ein-jagdmensch.com/hobbyjagd/). Und Jäger nehmen keine Spenden bzw. halten nicht für jeden Handschlag die Taschen auf, nein, die bezahlen sogar noch dafür, für den Staat jagen zu gehen, Wildbestände zu regulieren, für Revierpflege, Biotop- Verbesserungen etc. etc.. Um dann prompt immer wieder angemeiert zu werden in den Medien, mit Klischees und Vorurteilen, die ja so herrlich zu kolportieren sind, wie übrigens in dem obigen Artikel auch.

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Was stimmt denn?

Aber was stimmt denn nun in dem Artikel? Da findet man sogar was. Richtig ist die Bemerkung, dass Wölfe in Europa erst seit dem 8. Jahrhundert stark bejagt wurden. Aber der Grund dafür war nicht, dass auf einmal böse Jäger dem Wolf ans Fell wollten, sondern weil sich damals überhaupt erst das erste politische Gebilde mit einer beginnenden Verwaltung entwickelte, das fränkische Reich nämlich. Und für überregional organisierte Wolfsjagden ist nun mal Verwaltungsstruktur nötig.

Man muss sich in Erinnerung rufen, dass sich mit dem Ende der Spätantike bzw. des römischen Reichs im beginnenden Frühmittelalter, also mit Entstehen der ersten nachrömischen größeren Herrschaftsbereiche und, neudeutsch, politischen Körperschaften, eine grundlegende soziale Umstrukturierung vollzog, mit tätiger und aktiver Hilfe des zunehmend auch an politischem Einfluss gewinnenden päpstlichen Christentums.

Die vorher vor allem im nichtrömischen Europa politisch tragende Schicht der freien Bauern verschwand fast vollständig, es bildete sich die typische mittelalterliche Feudalstruktur heraus: Unten die große Masse der politisch völlig rechtlosen und gewollt waffen- und damit wehrlosen Bevölkerung, die das Sozialprodukt zu erarbeiten hatte, im Mittelbau der sich bildende niedere Ministerialadel und der niedere Klerus, darüber der allein politisch und sozial bestimmende Oberbau, also Hochadel = Landesherrren und der hohe Klerus.

Die Landbevölkerung, und andere Bevölkerung gab es damals praktisch nicht, denn unsere mittel- und osteuropäischen Städte entstanden mit wenigen Ausnahmen wie den alten deutschen Römerstädten sämtlich erst in der klimabegünstigten Warmphase des Hochmittelalters zwischen 1000 und 1300 n. Chr., hat von jedem Herrscher ultimativ gefordert, Wölfe, Luchse, Bären auszurotten oder wenigstens so weit zurückzudrängen, dass ihr weniges Vieh zumindest eine Chance zu überleben hatte bei der damals üblichen Viehhaltung, z. B. der Waldhute. Das Volk war zwar praktisch rechtlos, aber diese Forderung war auch nach dem damaligen Gesellschaftsmodell legitim: Die Unterschicht arbeitete, hatte kein Recht auf Mitwirkung bei Entscheidungen, die Oberschicht schuldete im Gegenzug aber unbedingten Schutz (die Munt) vor Feinden. Und Wölfe empfand man damals als Feinde, ebenso wie Bären und andere Großräuber, ja als Lebensbedrohung.

Anders als in den frühen Jäger- und Sammlerkulturen konnte man in den mittelalterlichen Agrargesellschaften nicht ausweichen auf andere Nahrungsquellen. War die Ernte schlecht und / oder das Vieh getötet, ging es um die nackte Existenz: Eine gerissene Kuh konnte den Hungertod zumindest für die Schwächsten der Familie bedeuten, die Kinder und Alten. Es gab kein Sozialamt und HARTZ IV. Und Wölfe, das bescheinigt jeder wirkliche Wolfsforscher und Kenner, gehen bei der Jagd grundsätzlich den Weg des geringsten Widerstands, hoch intelligent und effizient, wie sie sind, die dachten und handelten damals so wie heute: Warum soll man sich an flinken, cleveren Wildtieren abbalgen, wenn man die dumm gezüchteten Proteinbomben direkt nebenan und womöglich sogar noch eingezäunt präsentiert bekommt, ohne Fluchtmöglichkeit? Darum galt: Wer als Herrscher damals nicht diese riesigen Wolfsjagden organisierte und durchführte, galt als schlechter Herrscher. Auch wenn die Presse damals noch nicht erfunden war – das sprach sich rum, und auch die Kirche machte Druck, nicht zuletzt auch aus Sorge um ihren Zehnten.

Was weiter zum Teil, aber eben auch nicht vollständig stimmt, ist die Bemerkung des Herrn Wörner: „Die Wölfe regulieren nicht die Anzahl der Rehe, sondern die Rehe die Anzahl der Wölfe.“ Eine unzulässige Pauschalierung mehr, aber in diesem Fall kann man´s sogar noch gelten lassen, obwohl Wölfe keineswegs ausschließlich auf Rehe spezialisiert sind. (https://ein-jagdmensch.com/die-viel-zitierte-raeuber-beute-beziehung/) Sie nehmen halt das, was am bequemsten erreichbar ist. Eben das Muffelwild. Aber das Muffelwild gehört für die Puristen der „Bewegung“ hier eh nicht hin, es hat´s verdient, ausgerottet zu werden, und wenn die Viecher dazu noch so dämlich sind, sich ausrotten zu lassen: Bitte schön. Siehe das Sikawild im Arnsberger Wald.

Jetzt könnte man sagen: Ist schon richtig, was haben Neozoen hier verloren? Nur: Warum machen wir dann so ein Aufhebens mit unseren Hasen, den Schwalben, dem Rebhuhn, dem Fasan, der Wachtel, vielen Fledermausarten, vielen Greifvogel- und Eulenarten, dem Hamster!, den vielen Singvogelarten, dem Milan, dem Weißstorch, der Großtrappe? Die Liste ist längst nicht abgeschlossen, und sie alle sind Zuwanderer, Gäste auf Abruf, wenn man will. Sie sind erst „zugezogen“, nachdem der Mensch nach der Umstellung auf den Ackerbau die dafür nötigen freien Landschaften geschaffen hat, mit Feldern, Hecken, Kleingehölzen (https://ein-jagdmensch.com/das-oekologische-gleichgewicht/). Sie haben sich sozusagen ins gemachte Nest gesetzt, gemacht von diesem Umweltzerstörer Mensch. Nach dem streng puritanischem Verständnis dieser „Experten“ wäre es also kein Verlust, wenn sie wieder verschwänden. Und sie verschwänden hier, so sicher wie nur was, wenn wir Menschen nicht mehr hier wären und die Landschaft offen hielten. Aber das will ja niemand.

Man dreht sich´s halt so, wie´s gerade am besten passt. Was bei dem einen „Projekt“ gerade noch als todeswürdiges Verbrechen angeprangert wird, bekommt beim nächsten Spendenfeldzug sozusagen die heiligen Weihen, urbi et orbi. Der Zweck heiligt eben die Mittel. So wie hier en passant zugegeben wird, dass es doch streunende und wildernde Hunde gibt, was sonst rigoros abgestritten bzw. auf absolute Einzelfälle heruntergeredet wird. Leinenzwang für Hunde? Ist eigentlich gar nicht nötig; die tun nix ….. Man reibt sich ganz verwundert die Augen. Jedenfalls der Ahnungslose, der mit diesen „Experten“ noch nie zu tun hatte.

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Säusel- Berichterstattung

Was mir so unsäglich auf den Nerv geht bei der Säusel- Berichterstattung, ist die Tatsache, dass man die Menschen da draußen mit System, Verzeihung, bescheißt, dumm hält, ihnen die Wahrheit vorenthält, nur um irgendwelchen selbst ernannten Natur- Designern die Möglichkeit zu geben, ihre wirren Utopien zu inszenieren. Es ist ja nicht so, dass die nicht wüssten, was sie da in die Welt setzen. Da kommt folgerichtig die Frage auf: Warum tun sie´s dann? Ganz einfach: Geld und Hybris. Die Herrschaften haben mittlerweile abgehoben, schweben meilenweit über den Gefilden der gewöhnlichen Erdlinge, sind durch keinerlei Kontrollinstanz mehr gebremst. Und sie verdienen sich, westfälisch derb ausgedrückt, mit dieser Bescheißerei den Arsch ab. Da wird der NABU NRW mal eben Eigentümer von 18.000 Hektar Forstflächen. Die nirgends erscheinen, weil ausgelagert in irgendwelche „Stiftungen“. Denen dann jeweils ein verdienter Alt- Bewegungsgenosse vorsteht. Natürlich um Gotteslohn. Und um ein paar zehntausend Euro p. a. an „Aufwanderstattung“, bis ans selige Lebensende. Usw. usw.

Die Politik? Die Abgeordneten sind so mit „wichtigen“, weil staatstragenden Themen beschäftigt, dass sie froh sind, wenn sie ihre Ruhe haben vor diesem lästigen Umwelt- und Naturgedöns. Und außerdem: Wir leben in einer Dienstleistungs- und Convenience- Gesellschaft. Lästige Dinge lassen wir gern erledigen. Warum sollen Politiker da eine Ausnahme machen, z. B. beim „Umwelt- Gedöns“? Die lassen sich eben alles verabschiedungsreif servieren, abnicken, das nächste. Entgangen ist den Herrschaften allerdings eine winzige Kleinigkeit, und da waren die Grünen weit gerissener und vorausschauender als die Welt- Politiker: Am Umweltgedöns bzw. am dafür zuständigen Ministerium vorbei lässt sich heute so gut wie keine politische Maßnahme, kein Ziel mehr umsetzen; das geht bis hin zur Außenpolitik. Irgendetwas passt nicht ins Weltbild der Wächter der Tugenden? Da springt auf Knopfdruck die Umwelt- und Empörungskeule aus dem Kasten.

Der Wähler? Zu 90 % Städter, denen geht das Thema sonstwo vorbei (außer im Urlaub, da möchte man natürlich mit irgendetwas Gefährlichem und Unangenehmen nicht behelligt werden).

Die Medien? Eigentlich die letzte vorgesehene Bremse bei sowas wie organisiertem Staatsversagen, der Grund, weswegen die so große Privilegien genießen? Längst ins Boot gezogen bzw. genauso dumm gemacht. Wenn man manchmal liest und sieht, was da so in scheinbar völliger Unschuld an Schwachsinn verbreitet wird, fragt man sich, was man gelernt haben muss, um derart an der Realität vorbei zu schreiben oder zu berichten. Also ist es für unsere „Experten“ gar nicht nötig, die Wahrheit zu sagen. Es ist eine oft zitierte, aber umso wahrere Weisheit: Die perfideste Art der Manipulation ist nicht die Lüge, sondern das bewusste Unterdrücken von Informationen, die nicht ins sorgfältig gemalte Bild bzw. zum erstrebten Ziel passen.

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Die Wahrheit und die Folgen

Denn wenn man das tun würde, also die Wahrheit sagen, siehe oben, wäre z. B. der Freizeit- und Wandertourismus da, wo es Wölfe gibt, in unserem verängstigten und sicherheits- fixierten Deutschland ganz schnell zu Ende. Komplett. Die Deutschen haben nicht die Nerven der Russen, der Rumänen, der Kanadier, der US- Amerikaner, die mit Wölfen ganz entspannt umgehen. Die wissen, dass die gefährlich sein können und nehmen das in Kauf, nach dem Motto: „Ja und? Das Leben ist gefährlich.“ Vor allem verhalten sie sich danach. Und sie akzeptieren einfach, dass es den einen oder anderen Toten gibt, das ist nun mal so, wenn man unbedingt Wildnis haben will, wo gehobelt wird, fallen Späne, umsonst ist der Tod. Nur ganz nebenbei: Die bejagen die aber auch.

Und in Deutschland? Auf eines ist Verlass, wie auf die Steuern: Die Deutschen, in der Mehrheit eine ganz seltsame Mischung aus überzeugten Romantikern und gleichzeitig gnadenlosen Rosinenpickern, werden rabiat auf die Barrikaden gehen und den sofortigen Totalabschuss fordern, wenn auch nur ein Mensch von einem Wolf getötet wird; dann hat die Romantik und Wolfskuschelei auf der Stelle ein Ende. Das ist das Ergebnis der jahrzehntelangen Beschallung und Erziehung zur Unmündigkeit, des Totalverlusts der Fähigkeit, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen. Es gibt ein Problem? Schlaft weiter …. Wir machen ein Gesetz dagegen …

Was dazu kommt, ist die kritiklose Kolportiererei des abstrusen, widersprüchlichen Getues durch die Medien. Wo NABU, BUND dransteht, das kann nicht schlecht sein, vor allem muss es wahr sein. Ipse dixit. Wenn die Grünen die Umwelt und deren Regeln nach ihrem Gusto umgestalten, dann müssen die Recht haben, schließlich sind sie die Grünen. Da braucht man nicht kritisch zu prüfen, zu recherchieren, z. B., ob das denn stimmt, was die einem da erzählen. Kritisches Herangehen heben wir uns für die üblichen Verdächtigen auf, zum Beispiel die Jäger, und da ziehen wir dann richtig vom Leder, vor allem mit Empörung. Zumindest die üblichen Seitenhiebe aber müssen immer sein. „Der Wolf jagt nicht auf Trophäen ….“

In den Kontext passt auch einmal mehr das Bild im Artikel: Kuschelige Wolfsbabies. Ach wie süüüüüß! Wie kann man denn so lieben Tierchen Böses unterstellen? Da kann man nur die nächste Wolfspatenschaft übernehmen. Für 100,00 €, ohne jede Kontrolle, was mit dem Geld passiert. Aber das ist egal, denn das gibt so ein gutes Gewissen. Nur dass die Schäfer z. B. das ein bisschen anders sehen, will kein Mensch wahr haben. Wenn man´s denn ernst meinte mit dem Titel „Weder Schmusetier noch reißende Bestie“, also pro und contra, siehe oben – warum zeigt man dann nicht gleichzeitig auch so ein Foto wie das hier unten? So ähnliche Bilder gibt´s die Masse, denn Wölfe sind bei der Jagd alles andere als zimperlich. Nur passt das nicht zum sorgsam aufgebauten Kuschel- Image, und deshalb soll sie niemand sehen.

14-05-28-Wolf-Hirsch

Alles in allem zitiere ich noch einmal aus einem meiner Beiträge (https://ein-jagdmensch.com/was-tun-wenn-ein-wolf-dasteht/):

Ich bin Jäger, und ich freue mich auf die Zeit, wo ich keine Hunde mehr im Revier finde, alle Katzen endlich zu Hause bleiben und wenn, dem groooßen bööösen Wolf sei Dank, auch die Mountainbiker, die Geocacher, die Pilzesucher immer weniger werden. Ich habe nur was dagegen, wenn man die Bevölkerung und Leser nicht nur nicht aufklärt, sondern im Gegenteil noch bewusst belügt. 2) 

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Die öffentliche Debatte und die Akzeptanz

Wenn nur das, was ich hier an Fakten anführe, der breiten Öffentlichkeit kenntlich und klar gemacht würde, dann wäre die Debatte eine andere, nämlich ehrlich. Weil möglichst umfassende Information die unbedingte Voraussetzung dazu ist, dass man sich überhaupt ergebnisorientiert an einer Debatte beteiligen kann. Damit aber sehen die Weltgestalter ihr Geschäftsmodell gefährdet, sie trauen dem informierten Bürger nicht nur nicht über den Weg, nein, er ist ihr ideologischer Todfeind. Deshalb haben sie sich mit dieser Weichspül- Propaganda über viele, viele Jahre diese Freaks herangezogen, die die Welt für eine riesengroße Disney- Kulisse halten und die Realität in weiten Zügen gehorsam völlig ausblenden.

Das zu ändern, hieße dicke Bretter bohren und wäre eigentlich Sache kritischer Medien. Das wäre mühsam, aber dann hätten wir das Ergebnis, dass der Wolf wirklich ankommen könnte, für den Bürger im vollständigen Bewusstsein dessen, was im Einzelfall die Folgen sein können. Dann hätten wir zumindest in diesem Bereich, Natur und Umwelt, wieder den mündigen Bürger, der selbst ein realistisches Bild von der Welt hat und sie sie sich nicht dauernd von irgendwelchen Gurus, dazu  bar jeder Sachkenntnis, erklären lässt.

Genau das aber kann NABU, BUND und wie sie alle heißen auf keinen Fall gebrauchen. Denn dann wären sie überflüssig, sie wären schnell entzaubert, würden als das wahrgenommen, was sie sind, als reine Gewerbetreibende, das lukrative Geschäftsmodell wäre Makulatur (https://ein-jagdmensch.com/der-nabu-fordert/). Man schaue mal auf die Gehälterstruktur an den Spitzen dieser „gemeinnützigen Vereine“, auf die Irrsinns- Umsätze, die erzielt werden, auf die vielfältigen Verschachtelungen, die Tochterfirmen und Stiftungen. Das bringt enormen, aber in der Öffentlichkeit nicht wahrgenommenen politischen Einfluss und damit Macht.

Man sitzt in allen Gremien, an allen Tischen und entscheidet mit, zu nahezu jedem politischen Thema, ohne jede politische Legitimation – Millionen an „Ausgleichszahlungen“ an irgendwelche Stiftungen inbegriffen, im Gegenzug mit dem Versprechen, dann natürlich die bereits angekündigte Verbandsklage gegen dies und das zu unterlassen. Denn das Modell kostet Geld, und nicht wenig, und mangels eigener Wertschöpfung müssen Spender und der Steuerzahler ran. Genau deswegen müssen die Verhältnisse, so wie sie sind, um jeden Preis erhalten werden.

Wesentliche Voraussetzung für diesen eigentlich unglaublichen Zustand ist aber ein freundliches Bild in Presse, Funk und Fernsehen, fundamental wichtig vor allem die kritiklose und eins zu eins erfolgende Wiedergabe der gesendeten „Botschaften“. Nur: Es ist ein himmelweiter Unterschied, ob ein Bürger diese Botschaften im NABU- Mitteilungsblättchen oder in der Tageszeitung liest. Dem einen unterstellt er Parteinahme, was völlig in Ordnung ist, schließlich drucken die ja ihre Blättchen selbst. Was anderes ist es, wenn das Ganze dann im Fernsehen verbreitet wird, in der Tageszeitung steht. Damit bekommt das in den Augen der Bürger den amtlichen Segen. Na ja, die können ja nicht im Unrecht sein, es steht ja in der Zeitung. Und sogar die BILD schreibt´s doch.

Merken Sie was? Der Bürger setzt eigentlich voraus, dass die Medien kritisch sind. Er geht davon aus, und er zahlt ja auch dafür. Auch wieder so ein klassischer Irrtum ….

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Kirchveischede, 13. Juli 2016

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Manfred Nolting

Ein Jagdmensch

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1) Professor Dr. Kurt Kotrschal studierte Biologie in Salzburg, schloss sein Diplomstudium 1979 ab, wurde 1981 promoviert und 1987 habilitiert. Er hat eine Professur an der Universität Wien, Fakultät für Lebenswissenschaften, Department für Verhaltensbiologie. Er beschäftigt sich mit hormonalen und kognitiven Gesichtspunkten sozialer Organisation sowie der Erforschung der Mensch-Tier-Beziehung, insbesondere der Beziehung zwischen Mensch und Hund. Seit Juli 1990 leitet Kotrschal als Nachfolger von Konrad Lorenz die Konrad Lorenz Forschungsstelle in Grünau im Almtal.

Kotrschal wurde besonders durch die Erforschung und Zuschreibung charakterlicher Eigenschaften von Tieren bekannt. Im Jahr 2008 hat Kotrschal das Wolf Science Center mitbegründet, welches zuerst in Grünau im Almtal angesiedelt war und sich seit 2009 in Ernstbrunn befindet.

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2) Ähnliches gilt übrigens für die Wisente hier im Sauerland. Ich habe bereits im September 2015 (https://ein-jagdmensch.com/von-woelfen-und-wisenten/) geschrieben, dass es über kurz oder lang Probleme geben wird. Dass das so schnell passiert, habe ich nicht gedacht. Kotrschal übrigens schreibt witzigerweise dazu: „In US- Nationalparks kommt es nicht selten vor, dass Menschen durch ach so zahme Bisons verletzt werden oder sogar ums Leben kommen, wenn sie die großen Wildrinder partout zwischen den Hörnern kraulen wollen.“ Nur hat die Spaziergängerin hier im Sauerland noch nicht mal das versucht, sie ist einfach nur spazieren gegangen. Es war unbeschreiblicher Dusel, dass da nicht mehr passiert ist. Und das unsägliche Getue wird weitergehen, jede Wette. So lange, bis der GAU da ist. 

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Von Wölfen und Wisenten II

oder

Wie auch professionelle Abwiegler immer irgendwann von der Realität eingeholt werden, aber es ihnen im Grunde eigentlich egal ist

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Eigentlich dürfte es hier ja nur heißen „Von Wisenten“. Ich will aber den Titel meines Beitrags vom 30. September 2015, „Von Wölfen und Wisenten“beibehalten. Zum einen deswegen, weil ich sehr viel Sinn für Wiedererkennbarkeit, neudeutsch „corporate identity“ habe. Zum anderen, weil ich eigentlich sicher bin, dass uns Bruder Wolf, wie gerade Tante oder Onkel Wisent, über kurz oder lang eine ähnliche Bestätigung schicken wird. Hoffen wir, für uns alle, mit ähnlich glimpflichem Ausgang wie beim Vorfall mit Madame Wisent.  1)

Interessant finde ich die Berichterstattung durch die beiden schwesterlichen hiesigen Tageszeitungen, beide nämlich der WAZ- Gruppe angehörig: Während die eine, die Westfalenpost, ziemlich ausführlich berichtet, begnügt sich ihre Schwester Westfälische Rundschau mit einem vergleichsweise lapidaren Text.

Beschäftigen wir uns deshalb kurz nur mit dem ausführlicheren Artikel der Westfalenpost.

16-05-24_WP_Wisentkuh greift Touristin an

Der Vorfall selbst steht wohl in keiner Weise in Frage, und Gott sei Dank ist alles glimpflich abgelaufen: Quetschungen, blaue Flecke, eine zerrissene Hose und, natürlich, ein Schock, zumindest ein heilloser Schreck blieben am Ende zu vermerken. Die Wisente ließen sich auch vertreiben, ein Beispiel dafür, dass sie wirklich nur warnen wollten, denn sonst hätte das ganz anders ausgehen können. Ich kann mich an eine Fotoserie erinnern, die nach meiner Erinnerung um 2005 in der Jagdzeitung Wild und Hund veröffentlicht wurde; ein polnischer Naturfotograf hatte damals im Winter im Wald von Białystok durch puren Zufall ablichten können, wie ein Wisent – Jungbulle plötzlich durchdrehte und einen groben Keiler annahm, geschätzt 150 Kilo, mehrmals durch die Luft wirbelte und innerhalb weniger Sekunden tötete. So ein Keiler ist wahrhaftig ein Urvieh, aber er war völlig chancenlos.

Ich will jetzt nicht in den Verdacht kommen, ich hätte ein Problem mit Wisenten. Beileibe nicht. Ich finde, das sind faszinierende Tiere, außerdem verdienen sie jede Unterstützung durch uns. Diese Meinung vertrete ich übrigens auch in Bezug auf Bruder Wolf (Der Wolf, der verlorene Sohn).

Gleichzeitig erlaube ich mir aber, darauf hinzuweisen, dass jetzt genau das eingetreten ist bzw. noch eintreten wird, was beileibe nicht nur ich, sondern viele, viele andere vorausgesagt haben: Die angekündigte „Störung“ ist eingetreten, und es wird unter Garantie zu weiteren „Störungen“ dieser Art kommen, eingedenk des tiefen Wahrheitsgehalts eines meiner Lieblingszitate: „In jedem System ist nichts so gewiss wie der nächste Störfall!“ 2) Gebe Gott, ohne ernsthafte, gar tödliche Konsequenzen. Alle Warnungen dieser Art sind immer wieder als Spinnereien abgetan oder in die Ecke „Verunglimpfung“ und „Na ja, Jäger halt, die wollen alles ja nur totschießen“ gestellt worden. Momentan herrscht Ruhe in diesem Gesellschafts- Segment, ich habe bisher noch keine Stellungnahme aus der bekannten Befürworterszene registrieren können.

Nicht, dass die jetzt alle in Schockstarre wären, ganz sicher nicht. Denn genau damit hat die Szene von vornherein gerechnet. Nur haben die Damen und Herren Abwiegler und Schönredner von vornherein bewusst, sagen wir, ein wenig „die Realität hingebogen“, indem sie genau das gegen jedes bessere Wissen immer wieder heftigst in Abrede gestellt, in den Bereich der Utopie gerückt haben. Die noch denkbare Alternative wäre, dass sie zu naiv bzw. zu dumm waren, das voraussehen zu können. Das wiederum kann ich mir bei Menschen mit einem derart ausgeprägten Geschäftssinn eigentlich nicht vorstellen. Es wurde und wird einfach darauf gesetzt, dass das für sie so einträgliche Projekt, einmal in der Welt, in der typisch deutschen Festhalte- Mentalität und sprichwörtlichen Nibelungentreue nicht mehr zurückgedreht wird. Wer wird ernsthaft schon Wisente wieder abschaffen wollen? Blasphemie, ein veritabler shitstorm des Couch- Naturschutzes in den Großstädten wird das ganz gewiss schon verhindern. Motto:

Was ist denn schon passiert?

Ja, was ist denn schon passiert? Wenn man sich aber mal vorstellt, was da eigentlich von Beginn an an Schizophrenie so abgeht, fasst man sich an den Kopf. Stellen Sie sich vor, ein Bauer hielte eine Rinderherde in Ammenkuhhaltung (da sind selbst unsere sonst so friedfertigen Kühe auf einmal sehr ernst zu nehmen!) unter Beistellung eines ausgewachsenen Bullen auf einer Weide und sparte sich den teuren Zaun mit der Behauptung „Die tun nix!“ – im Ernst, lange könnte der nicht mehr selbst seinen Aufenthaltsort bestimmen. Der würde ganz schnell aus dem Verkehr gezogen und einer ausgiebigen Ritalin- Anwendung unterzogen. Bei Wisenten, immerhin ausgemachten Wildrindern, durch keine jahrtausendelange Zucht auf den Menschen geprägt, wird genau das den Leuten einfach erzählt.

Ganz bezeichnend finde ich auch die zur Schau getragene „Betroffenheit“ und den geradezu typischen Erklärungsansatz: „Zwei neue Kälbchen bei der Herde. Eine Sondersituation, in der Kühe ihre Kälber verteidigen.“ Das schlägt dann wirklich dem Fass den Boden aus: Wollen die den Leuten eigentlich allen Ernstes weismachen, die setzen eine Herde Wisentkühe zusammen mit Bullen aus und gehen davon aus, dass die Tiere mit Rücksicht auf die Empfindlichkeit von Wanderern und Touristen freiwillig zölibatär leben? Wo seit mehreren Jahren von den gleichen Leuten geradezu begeistert von der regen Reproduktivität in der Herde berichtet wird? Sancta simplicitas, für wie dämlich halten die eigentlich mittlerweile die Öffentlichkeit?

Nein, es wird auf das hinausgehen, was bei Kennern der Szene schon von vornherein als Absicht im Verdacht war: Die Tierchen werden auf großzügigen Flächen unter Einrichtung von Beobachtungspunkten eingegattert. Die Folgen: Die Gefahr weiterer Konfrontationen dieser Art ist weitgehend gebannt; Tourismus und Fremdenverkehr behalten ihre Attraktion (was gut ist!); der Gatterbesitzer hat als unvermeidlichen Kollateralschaden seine Begleitfauna wie kapitale Geweihträger zwar mit gegattert, aber wo gehobelt wird, fallen eben Späne; die umliegenden Waldbauern haben endlich die Schälschäden vom Hals (was gut ist!); die „Umwelt“- Verbände können weiter ihre lukrativen „Patenschaften“ verkaufen; Herr Remmel und seine grüne Partei machen auf unschuldig am geplanten Desaster zu Lasten des zwar eh schon desaströsen Landeshaushalts – aber alle sind glücklich. Mission accomplished.

Jetzt folgt die berühmte Asterix- Frage: Ganz Gallien? Oder, hier, sind wirklich alle glücklich? Nein, nicht wirklich. Denn der Steuerzahler, der ist in den Hintern gebissen, einmal mehr. Einer muss nämlich zahlen für die Komödie oder dafür, dass sie eine bleibt – so eine Gatterung kostet in der Errichtung und laufenden Unterhaltung Geld, und zwar nicht wenig. Aber ganz sicher lässt sich für das Ganze auch ein volkswirtschaftlicher Folgenutzen konstruieren, lässt es sich also als Netto- Investition deklarieren. Unterstützung strukturarmer Gebiete fällt zwar aus, Südwestfalen strotzt vor Geld, aber da hat ganz sicher irgendjemand irgendeinen pfiffigen Einfall.

Quod licet jovi, non licet bovi. Und die Ochsen, um das ganz klar zu machen, sind einmal mehr die Steuerzahler. So geht´s natürlich auch. Aber auf der anderen Seite – geht´s so nicht eigentlich immer?

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Kirchveischede, 24. Mai 2016

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Manfred Nolting

Ein Jagdmensch

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1) Im Beitrag vom 30. September hatte ich mit dem Untertitel „Die reale Welt“ Folgendes geschrieben:

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„Es ist nicht die Frage, ob der Wolf, ob der Wisent irgendwann einen Menschen zu Schaden bringt, auch mit letalem Ausgang. Das steht fest, so sicher wie es Steuern gibt. Es ist nur noch die Frage, wann: Heute, morgen, in einem Jahr oder in 10 Jahren. Denn wer da glaubt, dass die Wildrinder sich an das Fraternisierungsgebot halten, das ihnen von den Kuschlern aufoktroyiert wurde, der muss ja wohl eine gehörige Portion Naivität in sich tragen. Irgendwann wird ein Testosteronbolzen in der Brunft, eine Kuh, die sich von ihrem Kalb getrennt sieht, einen Angriff starten. Gebe Gott, mit glimpflichem Ausgang.“

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und

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„Wie schon gesagt: Ich persönlich habe schon einiges zum Thema Wolf geschrieben, und ich vertrete zu Wolf und Wisent die gleichen Ansichten: Es sind beides faszinierende Tiere. Aber sie sind gefährlich oder können es ihrem natürlichen Verhaltensrepertoire nach werden. Und frei nach Murphy´s law, dass alles, was schiefgehen kann, auch schiefgeht, wird´s Ärger geben, todsicher.

Nun kann man, wie ich beim Wolf, der Meinung sein, dass das nur so vereinzelt der Fall sein wird, dass man das als unvermeidlichen Kollateralschaden hinnehmen sollte. Ich meine, eine Bevölkerung, die klaglos akzeptiert, dass es jedes Jahr ca. 400 tote Radfahrer im Verkehr gibt und trotzdem massenhaft aufs Rad steigt, die akzeptiert, dass es jedes Jahr um die 1.000 tödliche Haushaltsunfälle gibt und die trotzdem auf Trittleitern steigt, sollte mit einem oder zwei Todesfällen durch Wölfe zurechtkommen können.

Alles, was schön und ursprünglich ist, ist eben nicht umsonst zu haben. Wir müssen endlich von dieser unsäglichen Geld- zurück- Garantie – Mentalität wieder runterkommen, die unsere Super- Regulierer als scheinbares Menschenrecht im öffentlichen Bewusstsein implementiert haben: Es passt uns was nicht? Gut, machen wir ein Gesetz dagegen.

D a s   f u n k t i o n i e r t   s o   n i c h t !  

Die Welt ist gefährlich, das ist so. Punkt. Und deswegen auch so spannend und schön. Wer kein Risiko haben will, muss morgens im Bett bleiben. Und selbst da kann man einem spontanen Herzinfarkt erliegen, wenn man manche Leserbriefe liest.

Was tun?

Man muss den Menschen da draußen einfach mal die Wahrheit sagen und sie nicht verdummen mit diesen strunzdummen Sprüchen wie „der Mensch gehört nicht zum Beuteschema des Wolfs“ und ähnlich gefährlichem Blödsinn.

Nun sehe ich das aber so, dass das mit unseren Wisenten eine andere Hausnummer ist, denn die tummeln sich als potentiell tödlich gefährliche Viecher gerade in Gebieten, die eine starke Besucherfrequenz aufweisen. Und sowas hat einfach Konfliktpotential, siehe oben, und zwar erhebliches. Das wiederum wird, das steht für mich genauso fest wie meine Ausführungen zum Wolf, über kurz oder lang zur Diskussion darüber führen, was denn dann mit den Wisenten passieren soll, wie man dieser Gefahr vorbeugen kann. Da liegen zwei spontane Optionen auf der Hand: Abschaffen oder, wie man hier sagt, großzügig einpirken.“

Man sieht, manchmal kommt es schneller, als man denkt.

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2) aus „Krisen – Das Alarm-Dilemma“ von Gerhard Schulz

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Jäger, Wolf, Luchs + Kurti

oder

Respekt unter Kollegen 

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Da hat mich letztens Jemand gefragt, ob ich einen Wolf, einen Luchs schießen würde. Ich habe geantwortet: „Nein! Es sei denn, ich wäre gezwungen, durch die Situation, das Gesetz.“

Jemand: „Warum nicht?“

Ich: „Weil wir von derselben Feldpostnummer sind. Sie mögen Rehe, Hirsche, Sauen, Hasen, ich auch. Unter Kollegen respektiert man sich.“

Jemand wurde danach auffallend still. Wie man es eben wird, wenn man eigentlich nur provozieren wollte und dann mit der Nase darauf gestoßen wird, dass Jagdmenschen nichts anderes tun wie ihre andererseits so vergötterten Kollegen von der tierischen Fraktion. Das Gespräch war danach zu Ende. Noch nicht einmal unfreundlich übrigens.

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Zu Ende denken

Man muss solche Aussagen aber immer zu Ende denken. Jemand hat da nicht eingehakt, wohl weil er gar nicht darauf gekommen ist, aber es ist so: Streng genommen gälte das ja eigentlich auch für den Fuchs, den Waschbären, den Marderhund. Ehrlich gesagt ist das bei mir auch gefühlsmäßig so: Ich habe schon seit langem keinen Fuchs mehr geschossen, ich überlasse das den Jungjägern. Ich weiß, ehrlich und vor allem konsequent ist das nicht. Aber es ist nun mal so: Bei Konflikten zwischen Verstand und Gefühl siegt oft genug die Emotio. Aber die Ratio sagt: Wir kommen nicht darum herum.

Alle drei nämlich sind im Gegensatz zu Luchs und Wolf Nahrungsgeneralisten, d. h., sie kommen auch mit Insekten, Mäusen, Würmern, Aas, menschlichen Abfällen, ja zeitweise sogar mit pflanzlicher Nahrung klar. Darauf ziehen sie sich zurück und überleben bestens, wenn sie erst mal aufgeräumt haben unter dem nahrungstechnisch viel ergiebigeren Niederwild, den Bodenbrütern, den Hasen. Sie halten – dazu noch ohne eigene bestandsregulierende Prädatoren – mit dieser Strategie ihre ohnehin hohe Bestandsdichte ohne jedes Problem – und verhindern damit zuverlässig jede Erholung des Niederwildes: Jeder Ansiedlungs-, jeder Brutversuch wird auf der Stelle mit letaler Wirkung unterbunden.

Wölfe und Luchse dagegen kommen mit dieser Strategie nicht klar. Wo kein Wild, keine Weide- und Haustiere mehr zu erbeuten sind, wandern sie ab; sie sind strenge Nahrungsspezialisten, auf Fleisch angewiesen. Der Luchs ist dazu noch eng habitatfixiert; er braucht den Wald, den möglichst dicht. Canis lupus ist da deutlich weniger anspruchsvoll, er kommt auch mit Park- und Agrarlandschaften, mit Truppenübungsplätzen etc. aus. Immer aber braucht auch er Deckung und kleinere Rückzugsareale.

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Warum der Wolf?

Es ist ganz eindeutig der Wolf, der auf den größten Widerstand trifft. Vor allem seine hohe Intelligenz, seine ausgeprägte Fähigkeit zur sozialen Organisation und die damit verbundene große Effizienz bei der Jagd bereiten ihm paradoxerweise Probleme. Dazu kommt, er ist eben einfach clever, sein geradezu manischer Drang, sich in dieser schönen Welt so gemütlich wie möglich einzurichten. Er sagt sich nämlich: Wozu soll ich mich an flinkem und auch wehrhaftem Wild wie z. B. Sauen abbalgen, wie man hier in Westfalen sagt, wenn ich die Proteinbomben eingegattert, ohne Fluchtmöglichkeit und in hoher Dichte direkt vor der Nase habe? Man sieht: Er ist uns einfach zu ähnlich, unser canider Bruder.

Vielleicht resultiert gerade aus dieser Ähnlichkeit die diffuse, ganz tief unten verankerte misstrauische Ablehnung. Denn mit diesen Fähigkeiten, mit diesen Lebensgewohnheiten ist er in den vor ca. 10.000 Jahren entstandenen sesshaften Gesellschaften von Ackerbauern und Viehzüchtern vom respektierten Mitjäger, der er für Jahrhunderttausende bei den vorherigen Jäger- und Sammlerkulturen war, zur unmittelbaren Bedrohung und Konkurrenz um knappe und damit wertvolle Nahrungsressourcen geworden, das Hausvieh des Menschen nämlich.

Das wurde umso schlimmer empfunden, je schlechter die jeweilige Nahrungssituation der Menschen war, mit denen Bruder Wolf sich das Revier teilte. Es gibt Legionen an Beispielen dafür, dass gerade nach Kriegszeiten richtiggehende Ausrottungsfeldzüge geführt wurden, um den Wolf wenn eben möglich aus dieser Welt zu tilgen. Viele Jahrhunderte lang, beginnend mit Karl dem Großen, wurden in Europa die Qualitäten eines Landesherrn auch daran gemessen, wie wirkungsvoll er die Bevölkerung vor der „Wolfsplage“ schützen konnte. Der Luchs war da viel unauffälliger: Er blieb im Wald, und Schafsrisse waren bei ihm weit seltener als bei Bruder Wolf. Aber auch die wenigen reichten dann aus, um ihm an den Pelz zu gehen.

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Gefahr erkannt, Gefahr gebannt

So ist es. Also gehen wir es gelassen an, wir Jagdmenschen. Ich meine, lehnen wir uns zurück, gehen wir einfach weiter jagen. Lassen wir uns auch von den Kollegen Wolf und Luchs argumentativ unterstützen, z. B. bei der Fuchsjagd. Wo es Bruder Wolf gibt, haben Füchse ganz schlechte Karten. Und das Niederwild in Folge deutlich bessere. Problematisch wird´s aber leider auch für die Wildkatzen da, wo es Cousin Luchs gibt. IGP, „Intra- Guild Predation“ nennen das die Wildbiologen, frei übersetzt: „Räuberdruck unter (Berufs-) Kollegen“. Man sieht, auch das haben sich nicht die perfiden Menschen, vor allem Jagdmenschen ausgedacht, das hat wahr und wahrhaftig der Große Gasförmige in die Welt gesetzt. Man sieht weiter: Man muss wirklich alles zu Ende denken.

Unterstützung bekommen wir aber auch, wenn man uns dauernd den „unnatürlichen“ Jagddruck vor die Nase hält, auch da sind die Kollegen hilfreich: Da lachen die sich nämlich kaputt. Sie sind im Revier, jeden Tag für 24 Stunden, 365 Tage im Jahr. Und kein „Naturschutz“- Mensch regt sich bei denen darüber auf. Im Gegenteil, die sind sogar froh darüber und haben wohl deshalb so viele Kilo Schappi mit in den Wald genommen. „Kurti“ z. B. konnte man danach viel besser fotografieren und die Fotos ins Internet stellen, Motto: „Seht Ihr, wie nahe ich dran bin an der wilden, wahren Natur?“ Nur leider mit letalem Ende für Kurti, den Wauwau- Knautscher. Ich bin nur gottfroh, dass sich kein Jäger dazu hergegeben hat, den armen Kerl zu füsilieren. Dafür musste ein Scharfschütze der Polizei herhalten.

IGP, Intra- Guild Predation eben. Nur diesmal politisch motiviert, aus Sorge um einen Ministerposten. Und weil man nicht zugeben will, dass man den Bürger jahrelang sehr wählerwirksam systematisch verscheißert hat.

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Kirchveischede, 16. Mai 2016

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Manfred Nolting

Ein Jagdmensch

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Von Wölfen und Wisenten

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Ich habe ja schon einiges über Bruder Wolf zu Papier gebracht. Und da ich hier regional davon betroffen bin, habe ich auch die Debatte über die hier am Rothaarkamm frei lebenden Wisente aufmerksam verfolgt. Ich habe dabei doch auffallende Parallelen feststellen müssen, sowohl was die Wahrnehmung der tierischen Neubürger durch die Öffentlichkeit angeht als auch, was die Haltung der Kuschelfraktion betrifft.

In meinem letzten Beitrag vom 21. September „Hirsche werden Chefsache“ habe ich ja den Vorschlag gemacht, als Toleranzgröße für die durch Rotwild im Kreis Paderborn verursachten Wildschäden die Wild- und Schälschäden der Wisentherde auf dem Rothaarkamm heranzuziehen. Als hätte ich´s bestellt, erschien am Tag drauf (22.09.2015) in der hiesigen Ausgabe der Westfälischen Rundschau (WR) ein Artikel, der sich ein wenig kritischer als gewohnt mit der Situation befasst. 1)

15-09-22_Wisente

Mit ein wenig Zeitverzögerung erschienen dann heute (30. Sept.) drei etwas ausführlichere Leserbriefe in der WR, die ich meinen geneigten Lesern nicht vorenthalten möchte. Ich habe gleichzeitig den ursprünglichen Artikel des Reporters Werner Riedel als Datei hier nochmals eingefügt, damit man nicht dauernd zwischen zwei Beiträgen hin- und herspringen muss.

15-09-30-Leserbriefe Wisente

Um mal auf die drei Leserbriefe aus meiner persönlichen Sicht einzugehen:

Leserbrief 1, Herr Schmidt aus Kirchhundem:

Es ist schon ein wenig eigenwillig, sein Verständnis von den Zusammenhängen in der Natur, vor allem aber seine Einstellung zum Eigentum.

In Bezug auf die Natur ist er nämlich der Meinung, dass die Schädigung von FFH- Gebieten, die sonst gegen jede Beeinträchtigung hysterisch und militant geschützt werden, beim Wisent gar keine ist. Der Wisent kann per definitionem ein FFH- Gebiet gar nicht schädigen. Weil ja der Wisent „zur originären Fauna“ gehört. Somit ist das nämlich kein Wildschaden, sondern ein natürlicher Vorgang. Obwohl es da durchaus andere Meinungen geben kann, nehmen wir mal an, es ist so. Das wäre was, gute Güte! Dann hätten unsere Bauern ja wieder freie Fahrt. Immerhin sind sie Menschen, und die Spezies homo sapiens gehört seit einigen hunderttausend Jahren zur „originären Fauna“ unserer Region. Also können Menschen und damit auch Waldbauern eo ipso keine FFH- Gebiete schädigen, egal auf welche Ideen sie auch immer kommen könnten. 2)

Besonders apart aber finde ich die Einstellung des Herrn Schmidt zum persönlichen Eigentum. Verzeihung, ich muss präzisieren, denn sein eigenes wird er garantiert mit Zähnen und Klauen und mit der ganzen Schlagkraft unserer verfassungsmäßigen Eigentumsrechte gegen jeden Angriff zu verteidigen wissen: Ich meine sein Verständnis des Eigentums anderer. Denn da wird gegen die unbotmäßigen Waldbauern unverhohlen die Keule „Enteignung“ geschwungen, arrogant und von oben herab wird konstatiert, dass Waldbauern sich nicht so haben sollen wegen der paar geschädigten und damit unverkäuflichen Bäume.

Das sagt, glaube ich, einiges aus zum gottgleichen Selbstverständnis dieser Szene. Ich meine, wir Ahnungslosen müssen uns auch mal vor Augen halten, welchen Gewinn demgegenüber die Welt hat. Herr Schmidt nämlich kann seinen Sinn für Ästhetik und seinen Anspruch auf urwüchsige Natur voll ausleben. Und den Kampfgenossen in der Stadt dann mailen: „Ich habe heute wieder einem Wisent Aug´ in Aug´ gegenübergestanden! Und ich hab´ keine Angst gehabt. Mordskerl, der ich bin!“

Leserbrief 2, Herr Pohl, Lennestadt, und 3, Herr Lahme, Olpe:

Ich befürchte, diese Lektüre hat Herrn Schmidt heute Morgen zum Schäumen gebracht. Wie können die es wagen, solche Gedanken zu Papier zu bringen? Und Herr Pohl lästert dann gleich auch noch gegen einen hochadligen Nachbarn ab, der als einziger Waldbauer der ganzen Umgebung ja mit den Viechern prächtig klar kommt, ein Bruder im Geiste also. Jedenfalls hat man von ihm bisher noch keine einzige diesbezügliche Beschwerde gehört, trotz respektablen Waldbesitzes von gut 10.000 Hektar.

Herr Lahme wiederum bringt hier die Erfahrungen des Praktikers mit ein,  dazu noch eines Praktikers mit sehr negativen Erfahrungen mit einem im Vergleich zum bison bonasus eher zahmen boviden Vettern. Dagegen ist schwer anzustinken. Beide, Herr Pohl und Herr Lahme, sind sich aber einig: So, wie´s ist, ist´s nicht gut. Und ich fürchte, Herr Schmidt, da gibt´s ´ne Menge anderer Leute mehr, die die Position der beiden teilen.

Die reale Welt

Denn in einem gebe ich Herrn Lahme Recht, und da komme ich dann jetzt zum Grund für den Titel meines Beitrags, nämlich die Parallelen zur Diskussion über die Rückkehr der Wölfe in Deutschland: Es ist nicht die Frage, ob der Wolf, ob der Wisent irgendwann einen Menschen zu Schaden bringt, auch mit letalem Ausgang. Das steht fest, so sicher wie es Steuern gibt. Es ist nur noch die Frage, wann: Heute, morgen, in einem Jahr oder in 10 Jahren. Denn wer da glaubt, dass die Wildrinder sich an das Fraternisierungsgebot halten, das ihnen von den Kuschlern aufoktroyiert wurde, der muss ja wohl eine gehörige Portion Naivität in sich tragen. Irgendwann wird ein Testosteronbolzen in der Brunft, eine Kuh, die sich von ihrem Kalb getrennt sieht, einen Angriff starten. Gebe Gott, mit glimpflichem Ausgang.

Wie schon gesagt: Ich persönlich habe schon einiges zum Thema Wolf geschrieben, und ich vertrete zu Wolf und Wisent die gleichen Ansichten: Es sind beides faszinierende Tiere. Aber sie sind gefährlich oder können es ihrem natürlichen Verhaltensrepertoire nach werden. Und frei nach Murphy´s law, dass alles, was schiefgehen kann, auch schiefgeht, wird´s Ärger geben, todsicher.

Nun kann man, wie ich beim Wolf, der Meinung sein, dass das nur so vereinzelt der Fall sein wird, dass man das als unvermeidlichen Kollateralschaden hinnehmen sollte. Ich meine, eine Bevölkerung, die klaglos akzeptiert, dass es jedes Jahr ca. 400 tote Radfahrer im Verkehr gibt und trotzdem massenhaft aufs Rad steigt, die akzeptiert, dass es jedes Jahr um die 1.000 tödliche Haushaltsunfälle gibt und die trotzdem auf Trittleitern steigt, sollte mit einem oder zwei Todesfällen durch Wölfe zurechtkommen können.

Alles, was schön und ursprünglich ist, ist eben nicht umsonst zu haben. Wir müssen endlich von dieser unsäglichen Geld-zurück-Garantie – Mentalität wieder runterkommen, die unsere Super- Regulierer als scheinbares Menschenrecht im öffentlichen Bewusstsein implementiert haben: Es passt uns was nicht? Gut, machen wir ein Gesetz dagegen.

D a s   f u n k t i o n i e r t   s o   n i c h t !  

Die Welt ist gefährlich, das ist so. Punkt. Und deswegen auch so spannend und schön. Wer kein Risiko haben will, muss morgens im Bett bleiben. Und selbst da kann man einem spontanen Herzinfarkt erliegen, wenn man manche Leserbriefe liest.

Was tun?

Man muss den Menschen da draußen einfach mal die Wahrheit sagen und sie nicht verdummen mit diesen strunzdummen Sprüchen wie „der Mensch gehört nicht zum Beuteschema des Wolfs“ und ähnlich gefährlichem Blödsinn.

Nun sehe ich das aber so, dass das mit unseren Wisenten eine andere Hausnummer ist, denn die tummeln sich als potentiell tödlich gefährliche Viecher gerade in Gebieten, die eine starke Besucherfrequenz aufweisen. Und sowas hat einfach Konfliktpotential, siehe oben, und zwar erhebliches. Das wiederum wird, das steht für mich genauso fest wie meine Ausführungen zum Wolf, über kurz oder lang zur Diskussion darüber führen, was denn dann mit den Wisenten passieren soll, wie man dieser Gefahr vorbeugen kann. Da liegen zwei spontane Optionen auf der Hand: Abschaffen oder, wie man hier sagt, großzügig einpirken.

Beim Abschaffen wäre eine Umsiedlung denkbar – aus den Augen, aus dem Sinn.3) Beinahe todsicher wird es drauf hinauslaufen, die Tierchen da zu lassen, wo sie sind (welche Tourismus- Region gibt schon gerne Wisente wieder her?), sie aber hinter großzügigen Gattern verschwinden zu lassen. Die Flächen hat man ja, gut 10.000 Hektar in hochadligem Besitz. Wie sagte Herr Schmidt das noch so schön? (Grund)- Eigentum hat auch dem Allgemeinwohl zu dienen. Wie kann sich ein Eigentümer da entziehen? Vor allem, wenn er bedenkt, was Herr Schmidt noch so alles an Folterinstrumenten aufzufahren hat: Art. 14, Abs. 3 bzw. Art. 15, GG, Überführung in Gemeinschaftseigentum, der Durchschnittsbürger sagt „Enteignung“ dazu.

Halb zog man ihn, halb sank er hin?

Man könnte es fast meinen.

Man könnte aber auch, wenn man mal die Dinge weiter in die Vergangenheit verfolgt und beleuchtet, auf ganz andere Gedankengänge kommen: Fürst bzw. Prinz Richard hat seinen Clausewitz und Konfuzius verinnerlicht. Clausewitz, weil man von dem lernen kann, dass es zur Erreichung eines strategischen Ziels manchmal vorteilhaft ist, taktische Anfangsverluste kühl mit einzukalkulieren. Und Konfuzius deswegen, weil der Geduld als eine große Tugend lehrt: „Setze Dich ans Ufer des Flusses, habe Geduld, und Du wirst die Leichen Deiner Feinde vorbeitreiben sehen.“

Ganz misstrauische Menschen könnten nämlich auf folgende Gedanken kommen: Die fürstliche Rentkammer hegt einen ganz respektablen Rotwildbestand. Seit vielen, vielen Jahren schon. Und hat damit, unstrittig, sich erhebliche Meriten um diese Wildart erworben. Leider haben die Tiere die Angewohnheit, sich auch mal auf Forstflächen von Nachbarn zu absentieren. Was dann des Öfteren dazu führte, dass solche Nachbarn die Gelegenheit beim Schopf fassten und Funken rissen. Ein von der Rentkammer gehegter kapitaler Hirsch passt eben auch an die Trophäenwände von Nachbarn. Nun ist sowas aber ärgerlich: Man hegt und pflegt auf seinen Flächen Hirsche, nimmt die unweigerlich anfallenden Wildschäden in Kauf, und die Nachbarn kommen daher und ernten die Früchte solcher Bemühungen. Also entstehen Pläne, seine Wälder weiträumig einzugattern, um solchem Ungemach fürderhin Einhalt zu gebieten.

Doch dem steht die „Sozialpflichtigkeit des Eigentums“ entgegen oder, wie Herr Schmidt das formulierte, „Eigentum (mit Ausnahme des meinigen natürlich!) soll gefälligst der Allgemeinheit dienen“. Dazu gehört auch das freie Betretungsrecht solcher Wälder. Auch die jagdlichen Nachbarn waren dagegen. Nicht, weil sie weiter ab und an mal einen fürstlichen Hirsch schießen wollten. Natürlich nicht. Rein aus Gründen des freien Betretungsrechts.

Lange Zeit hörte man nichts mehr, die Gatterpläne waren dem öffentlichen Gedächtnis entschwunden. Da tauchte ganz beiläufig, aber wie aus dem Nichts der Gedanke auf, Wisente anzusiedeln. Wisente. Völlig spontan. Ich meine, darauf muss man im Sieger- und Sauerland ja erstmal kommen! Ich lebe seit 30 Jahren hier. Ich lebe gern hier. Und ich mag die Sauer- und Siegerländer auch  deswegen so, weil die felsenfest davon überzeugt sind, dass auch Spontaneität gut geplant sein muss.

Also Wisente. Im Gatter natürlich, probeweise. Wir wissen auch nicht mehr, wer´s war, der die Ente auf den Teich setzte; die Rentkammer jedenfalls zeigte sich begeistert. Heftige, jahrelange Diskussionen folgten, aber man kennt ja die Durchschlagskraft der Natur auf das deutsche Gemüt: Der letztendliche Erfolg war absehbar.

Es kamen also Wisente, mit Unterstützung der Grünen im Umweltministerium, der „Umwelt“- Verbände, des NABU, BUND, wie sie alle heißen. Es läuft eine beispiellose Sympathie- Kampagne an. Und irgendwann wird ganz nebenbei angekündigt, die Wisente in die Freiheit der Wittgenstein´schen Wälder entlassen zu wollen. Einwände? I wo, die tun nix.

Was kommen musste, kam. Natürlich setzen die Tierchen auch den Bäumen der Nachbarn zu, und die haben eben nicht die endlosen Reserven eines 10.000 Hektar- Grundbesitzers. Bei denen geht´s an die Substanz. Erster Widerstand formiert sich, Gerichte werden bemüht. Und es wird die Forderung gestellt, die Tiere einzugattern, und zwar von dem, der sie in den Wald gesetzt hat.

Die Rentkammer ziert sich, denn das ist teuer. Die Nachbarn aber machen Druck. Und ich wette ein Fass Golddublonen gegen einen Pfennig: Als „Kompromiss“ wird kommen, dass die fürstlichen Flächen mitsamt Wisenten großflächig eingegattert werden. Mit großzügiger staatlicher Förderung, versteht sich. Ergebnis: Die Wisente gibt´s nur noch auf den fürstlichen Flächen, die ja groß genug sind; die Nachbarforste werden nicht mehr verbissen und geschält; Wanderer, Mountainbiker und Pilzsucher sind nicht mehr in potentieller Gefahr; Wisentwildnis- Bewegte können die Tiere sicher von eigens errichteten Aussichtstürmen begutachten. Gegen Gebühr, versteht sich.

Dass dabei die Rothirsche natürlich gleich mit eingepirkt werden, hat man in der ganzen Aufregung ganz vom Radar verloren. Nix mehr abstauben durch Nachbarn ……

Fazit

Hut ab. Da hat jemand die Öffentlichkeit und sonstige Beteiligte mit langem Atem allesamt hinten herumgehoben und im Sack verkauft. Selbst Clausewitz würde da jetzt dicke Backen machen. Ich sage jetzt mal: Man muss wissen, wie´s geht. Man muss sich dazu gründlich auskennen mit der deutschen Mentalität. Man muss, natürlich, absolut clever sein und die Fähigkeit und die Geduld besitzen, auf lange Sicht zu planen. Man muss, siehe Clausewitz, in der Lage sein, zwischen Taktik und Strategie unterscheiden zu können.

Wenn jemand, wie hier, es dann auch noch schafft, dass die, die vorher erklärte Gegner waren, später die Forderungen als vorteilhaft vertreten, die sie vorher rundheraus abgelehnt haben – ja dann kann man nur noch von einem Geniestreich reden. Ganz großes Kino! Mit Sicherheit ist so jemand auch ein guter Schachspieler. Mit solchen Leuten streitet man nicht herum. Die hält man sich warm für den Fall, dass man irgendwann doch mal wieder Krieg führen muss.

Und wozu auch streiten? Es sind ja alle glücklich – am Ende. Manche Probleme lösen sich eben von allein. Man muss sie nur reifen lassen.

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Kirchveischede, 30. September 2015

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Manfred Nolting

Ein Jagdmensch

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1) Mit „ein wenig kritischer“ meine ich, dass er sich nicht so liest wie im Original vom radikalsten NABU- Funktionär verfasst, wie es sonst üblich ist.

2) Da tun sich Welten auf. Man fragt sich unwillkürlich- folgerichtig: Können wir uns dann nicht auch gleich den ganzen hochkompliziert aufgebauschten Verwaltungs- und Gesetzeswahnsinn sparen? Ich meine, wir könnten dann eine ganze Armada hochbezahlter Verwaltungs- Fuzzies wieder einer produktiven Tätigkeit zuführen. Allerdings wären dann auch die hochbezahlten Funktionäre von NABU, BUND usw. überflüssig. Das wird kompliziert.

3) Sie zu Steaks zu verarbeiten wird wohl nicht umsetzbar sein. Obwohl, wenn Bison bonasus ähnlich schmeckt wie Bison bison, sein amerikanischer Vetter, könnte man in Versuchung kommen; das schmeckt ausgezeichnet.

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Töteten Wölfe den kleinen „Krümel“?

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So betitelt die DJZ 9/ 2015 einen Artikel auf Seite 12. Und nein, es waren keine Wölfe, so viel scheint mittlerweile festzustehen nach Vorliegen der Ergebnisse der Speichelproben. Scheint, denn man kann da zunehmend misstrauisch werden, wenn die zuständigen Behörden solche Verlautbarungen herausgeben, und eigene Erfahrungen haben dieses Misstrauen bestärkt: Abwiegeln um jeden Preis ist offensichtlich Tagesbefehl, allerdings schon seit vielen Tagen, mit fadenscheinigen Argumenten. Bezeichnend dennoch: Als man anfangs noch davon ausging, es waren Wölfe, war auch die Reaktion darauf so typisch, so vorhersagbar und geradezu zwanghaft reflexartig, dass ich den Beitrag hier trotzdem mal bringe.

Geschehen ist Folgendes: Der 54- jährige Jörg M. geht mit zwei Hunden am 4. August gegen 21:00 Uhr im Wald bei Hornbostel, Landkreis Celle, spazieren. Plötzlich erscheinen drei große Tiere und attackieren sofort, kommen bis auf wenige Meter an ihn heran. Jörg M. meint, es waren Wölfe. Zwei davon wehrt er mit Schlägen seiner Leine ab, der dritte schnappt sich den kleinen Chihuahua- Rüden „Krümel“ und verschwindet mit ihm im Wald, die beiden anderen folgen ihm. Mit dem Terrier „Bonny“ tritt M. den Rückzug an. Am nächsten Tag wird „Krümel“ mausetot rund 100 Meter weiter gefunden, die vermuteten Wölfe haben ihn aber nicht gefressen oder zumindest angeschnitten, eigentlich in solchen Fällen die Regel. Mit Fachleuten, darunter die „Wolfsbeauftragte“ der LJN, Dr. Britta Halbe, sucht man den Ort des Geschehens auf, Spuren an „Krümel“ werden gesichert. Das Senckenberg- Institut wird mit der Auswertung beauftragt. Anscheinend aber gingen alle „Fachleute“ doch davon aus, dass es Wölfe waren.

Und nun kam, was immer kommt in vergleichbaren Fällen, die unvermeidlichen Äußerungen, hier die der Frau Dr. Halbe:

„Das wäre absolut neu. So einen Fall hatten wir in Niedersachsen noch nicht.“

und

„Das kennen wir ja schon vom Munsteraner Rudel. Eventuell wurden die Wölfe dort durch menschliche Reize wie Anlocken, ruhige Ansprache oder gar Füttern so vertraut gemacht.“ 

So stand es im Artikel. Woher kenne ich das bloß?

Denn, wie immer, ist das alles ein für Wölfe völlig ungewöhnliches Verhalten. Jedesmal. Jedenfalls völlig abweichend von dem, was die „Naturschutz“- Verbände festgelegt haben als natürliches Wolfsverhalten.

Und, wenn´s denn dann so war, wie´s aussieht, und es sah ja so aus: Das Ganze ist auf gar keinen Fall den Wölfen anzulasten. Die tun so was nämlich gar nicht, siehe oben. Und der „Naturschutz“ kann sich nicht irren. Aber wenn so was unberechenbar Dummes wie „menschliche Reize“ ins Spiel kommt, dann wird´s eben eng.

Zum Beispiel „Wölfe anlocken“. Das tut man nicht! Allerdings frage ich mich: Wie macht man das eigentlich? Miez, miez, miez rufen? Mit der Schappi- Dose rasseln? Oder heulen? Oder am besten gleich alles zusammen? Jeder Wolfsjäger in der Welt wäre da wohl für Tipps dankbar.

Fast noch schlimmer scheint „freundliche Ansprache“ zu sein. Das geht ja nun gar nicht. Ich jedenfalls, das habe ich mir fest vorgenommen, beschimpfe ab sofort jeden Wolf gröblich. „Schweinehund“ stelle ich mir da vor. Oder „Du Krümelmonster“.

Das Allerschlimmste aber ist „Anfüttern“. Mit Schappi womöglich, siehe oben. Vielleicht legen die infamen Jäger aber auch frisch totgeschossene Rehe in den Wald. Aus blanker Obstruktion. Und wo doch die ganze übrige Bevölkerung und auch sonst alle Welt neuerdings ganztägig in den Wald rennt, Wölfe reizt, anlockt, freundlich anspricht und hemmungslos füttert. Ja fast hat man den Eindruck, zwischen den Zeilen der Frau Halbe einen versteckten Vorwurf an den geschädigten Jörg M. lesen zu können.

Man hat´s nicht leicht als „Naturschützer“. Und die meist von den „Naturschutz“- Verbänden im Samstags- Seminar geschulten “Wolfsbeauftragten“ schon mal gar nicht. Alle Welt konterkariert durch geradezu sträflich leichtsinniges Verhalten alle ihre diesbezüglichen Bemühungen. Dazu gehört z. B. der abendliche Waldspaziergang. So was Unvernünftiges! Schließlich kann man sich doch an fünf Fingern abzählen, dass Wölfe sich dadurch derart gereizt fühlen können, dass sie dann schon mal ihre Kinderstube vergessen. Man muss die armen Tiere ja nicht provozieren! Man kann doch z. B. auch im Garten spazieren gehen. Und, wo wir schon dabei sind, der sollte auch gefälligst mit einem Zwei- Meter- Zaun gesichert werden. Damit man die Wölfe nicht in Versuchung führt. Das sind schließlich auch nur Tiere.

Sarkasmus aus. Wie wär´s denn damit:

Anstelle dieser reflexartigen Abwehr- Stereotypien, die ja nur damit zu erklären sind, dass man den befürchteten Super- GAU eigentlich tagtäglich für möglich hält, den Leuten einfach erzählen, dass sowas möglich, ja sogar zu erwarten ist. Dass die, die von Anfang an genau sowas voraussagen, Recht haben. Dass man von Anfang an, aus welchen Gründen auch immer, die Öffentlichkeit entweder vorsätzlich belügt oder schlicht und einfach nur den üblichen, pastellfarben angemalten Disney- Mist erzählt.

Nur damit das klar rüberkommt: Wir Jäger können mit dem Wolf gut leben. So weit das nach mir geht, soll er auch bleiben, wo er ist, ich muss auch keinen schießen; das wäre ähnlich, als würde ich einen Hund totschießen, tue ich auch nicht. Nur die Öffentlichkeit bekommt ganz offensichtlich zunehmend größere Probleme mit Bruder Wolf, mehr und mehr Bürger beschleicht Unwohlsein.

Es geht nämlich nicht darum, ob es irgendwann den ersten Verletzten oder Toten geben wird durch den Wolf. Das wird es, so sicher wie es die Steuern gibt. Es ist lediglich die Frage, wann. Morgen, übermorgen, in einem oder in zehn Jahren. Murphy´s law: „Was schief gehen k a n n, geht schief.“  Irgendwann, irgendwie. Oder, wie Gerhard Schulze das so herrlich ausdrückte: „In jedem System ist nichts so gewiss wie der nächste Störfall.“ Wie die Öffentlichkeit dann reagiert, kann man sich vorstellen: Dann haben NABU und BUND und sonstige „Experten“ aber Probleme mit dem weiteren Spendenaufkommen, und nicht nur damit.

Wenn sie dann zu mir als Jäger kommen und, gewohnt dreist, fordern, dass ich gefälligst ihren Mist wegräumen soll – mit mir nicht.  I c h  hab´, wie gesagt, kein Problem mit Wölfen. Sollen sie ihre Probleme selbst lösen. Ich werde das dann als Zuschauer beobachten. Aber sehr, sehr kritisch.

Kirchveischede, 10. September 2015

Manfred Nolting

Ein Jagdmensch

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Sonntag, 14. Juni 2015, 18:30, ZDF, Terra Express, „Was tun, wenn ein Wolf dasteht?“

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Mal wieder ein Nachhilfekurs in Wolfskuscheln.

Ein Schäfer ruft einen „Wolfsbeauftragten“ an, ein Wolf treibt sich bei seiner Herde rum und lässt sich auch nicht vertreiben. Der WB kommt und versucht seinerseits, den Wolf auf Schwung zu bringen. Der denkt gar nicht dran, sich auf den Schwung bringen zu lassen, weicht lässig aus. Der Wolf. Erst nach 45 Minuten bummelt er gelangweilt weg.

Kommentar des WB: „Völlig ungewöhnliches Verhalten!“ „Rätselhaft!“

Eine Szene weiter, eine Kindergärtnerin fragt den WB, ob sie denn weiter mit ihren Kindern unbesorgt in den Wald gehen könne, sie sei sehr verunsichert.

WB: „Völlig gefahrlos, der Mensch entspricht in keiner Weise dem Beuteschema des Wolfs! Kein Wolf würde einen Menschen angreifen!“

Das sagt ein Mann, der gerade noch einem Wolf „völlig ungewöhnliches Verhalten“ attestiert hat.

Man sollte auch mal fragen, wie solche Leute reagieren, wenn gemeldet würde, dass ein 50 kg- Schäferhund ohne Halsband allein durch ein Wohngebiet flaniert. Jede Wette, ein Polizei- Großeinsatz ist Programm. Und erst recht, wenn bekannt ist, dass so ein Tier sich in einem Waldgebiet herumdrückt: Lautsprecherwarnungen und Absperren des Waldes ist in so einem Fall der Mindesteinsatz an geballter Staatsgewalt. Aber ein Wolf? Entwarnung. Völlig harmlos, wirklich. So ein Wolf weiß doch, dass er Menschen nichts tut…..

 Es ist ja so: Man kann sich das Leben selbst schönreden. Das ist so lange legitim, wie man selbst als einziger ein Risiko eingeht. Wenn man aber die Öffentlichkeit dummlabert, nur weil man nicht zugeben will, dass man jahrelang völligen Stuss verbreitet hat, die Bevölkerung bewusst mit Disney- Talk besoffen geredet hat, dann hört der Spaß auf, finde ich.

Um das klar zu machen: Ich habe nichts gegen Wölfe, das kann man problemlos meinen Veröffentlichungen und Beiträgen entnehmen.

Ich bin Jäger, wie der Wolf, und ich und wahrscheinlich auch die Natur freue mich auf die Zeit, wo ich keine Hunde mehr im Revier finde, alle Katzen endlich zu Hause bleiben und wenn, dem großen bösen Wolf sei Dank, auch die Mountainbiker, die Geocacher, die Pilzesucher immer weniger werden.

Ich habe nur was dagegen, wenn man die Bevölkerung nicht nur nicht aufklärt, sondern im Gegenteil noch bewusst belügt.

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Kirchveischede, 14. Juni 2015

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Manfred Nolting

Ein Jagdmensch

15-06-14_Rotkäppchen und der böse Wolf

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Die Debatte über Wolf und Luchs

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Ja, die Diskussion um zurückkehrende große Beutegreifer wie Wolf und Luchs. Da wird mit Händen und Füßen von einigen Vaterlandsverteidigern opponiert, als ginge es um ihr Leben. Zunächst einmal ist zu bemerken, dass es eh kein Mittel geben wird, ihre Rückkehr zu verhindern. Zum zweiten ist unstrittig, dass sie hierher gehört haben und lediglich zurückkommen. Wenn die Öffentlichkeit das so will, und sie will es ja wohl ganz eindeutig, müssen gerade wir Jäger das unterstützen. Ganz nebenbei sind wir von Gesetz wegen sogar dazu verpflichtet. Natürlich steht es in unserem schönen Land jedem einzelnen und damit auch jedem Jäger zu, während der Debatte um die Rückkehr eventuelle Bedenken zu äußern. Aber ich halte es nicht für zielführend, wenn ein Jäger sich vor eine Kamera stellt und als Grund für seine Ablehnung von Wölfen die „Gefährdung unserer Kinder auf dem Weg zum Christenunterricht“ anführt. Nach dieser Logik dürfte es in ganzen Landstrichen Osteuropas eigentlich keine Kinder mehr geben. Ans wahre Motiv „kann man packen“, wie man bei uns im Sauerland sagt – tatsächlich die Sorge um sinkende Abschüsse. Dazu kann man einiges sagen, aber ein Argument reicht zunächst: Wer die Jagd in Deutschland heute noch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet, muss wirklich die letzten 50 Jahre auf dem Mond verbracht haben. Jagd ist reiner Genuss am Leben in der Natur, nichts sonst, und sollte nicht nur an der Größe der Strecke festgemacht werden, so erfreulich und notwendig eine reichhaltige Strecke auch ist.

Und es ist gut, dass das so ist. Wir sollten uns darüber im Klaren sein, dass Tiere, ganze Arten stets dann ausgerottet bzw. an den Rand der Ausrottung gebracht werden und wurden, wenn bei der Jagd wirtschaftliche Interessen gleich welcher Art ins Spiel kamen. Und nirgendwo, wo die Jagd nur aus Freude über die damit untrennbar verbundene Lebensweise ausgeübt wird wie bei uns in Deutschland, ist das jemals geschehen, ganz im Gegenteil. Dazu stehe ich, bis man mir das Gegenteil beweist. Bisher ist es noch niemandem gelungen.

Im Mittelalter geschah das durch die prämienhonorierte Anweisung der Landesherren an die damaligen (Berufs-) Jäger, Bär, Wolf, Luchs, Wildkatze, Marder usw. als so genanntes „Raubwild“ auszurotten, um das Nutzvieh ihrer Bauern und damit ihre Steuereinnahmen zu schützen. Und natürlich zum Schutz der prestigeträchtigen, maßlos überhöhten Schalenwildbestände. Bei den weit höheren Schäden, die durch eben diese  vor allem in der Landwirtschaft entstanden, waren die Herrschaften allerdings weit weniger zimperlich. Heute dagegen beobachten wir z. B. die bedenkenlose Wilderei auf Nashörner, nur um völlig durchgebrannte Idioten in Fernost mit angeblich potenzsteigernden Prisen von Nashornpulver zu versorgen, wir sehen das wahllose Abschlachten von Stoßzahnträgern bei den afrikanischen Elefanten, um elfenbeinverliebten Schicki- Micki- Idioten die Schnitzfiguren für den Kaminsims zu verschaffen, und beileibe nicht nur in Fernost; wir sehen das brutale Wildern von Tigern, um fernöstliche Humbug- Medizin zu bedienen. Das alles geschieht, weil es Geld einbringt. Und Geld bringt es dadurch ein, dass Nachfrage besteht, Nachfrage von Menschen, die selbst keinerlei emotionale Beziehung zu den Tieren, der Umwelt haben, die dadurch geschädigt werden.

Der immer wieder als typisch negatives Beispiel hervorgezerrte dekadente Yankee- Jäger, der unbedingt einen starken Elefanten- Bullen schießen will, weil ein neureicher Millionär das einfach mal gemacht haben muss, ist dabei das allerkleinste Übel. Wenn er / sie überhaupt ein Übel ist. Klar, es gibt sie, und schon lange nicht mehr nur aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Aber man kann dazu stehen, wie man will, es lässt sich nicht abstreiten, dass sie im Gegenzug viel, viel Geld im Land lassen, mit dem die geplagten Bauern für ihre ansonsten existenzgefährdenden Ernteausfälle durch marodierende Elefanten entschädigt werden können; dass, um beim Beispiel der Elefanten zu bleiben,  uralte Bullen sich meist längst aus der Reproduktion ihrer Art verabschiedet haben oder zumindest ihre diesbezügliche Pflicht bereits getan haben. Kurz: Diese Jagd schadet nicht nur nicht, sondern schafft überhaupt erst ein Interesse an der Pflege der vorhandenen Bestände. Denn, zum Mitschreiben, diese Jagd kann strikt kontrolliert werden, und sie wird es auch. Armutsbedingte Wilderei kann nicht kontrolliert werden!  Niemand, es sei denn ein völliger Ignorant, kann sie auch wirklich verurteilen. Es sei denn, er verurteilte damit einen der ganz wesentlichen Gründe der Befreiungskriege in unserem schönen, reichen Deutschland. Aber das wollen wir ja nicht. Natürlich nicht.

Wie war das noch mit dem Zitat, angeblich eines kenianischen Bauern? „Wenn ich satt bin, ist ein Elefant schön. Wenn ich hungrig bin, ist er Fleisch.“

Soweit der Ausflug in die Jagdpolitik und den Naturschutz in Übersee, kommen wir zurück zu den Niederungen unseres Jagdalltags, zu Wölfen und Luchsen. Sollte es durch ihre Rückkehr, und das ist wahrscheinlich, zu Verlusten bei Nutztierhaltern kommen, müssen die eben ausgeglichen werden. Sollten die Jagdstrecken dadurch tatsächlich zurückgehen, müssen sich eben die Pachtpreise ändern, so funktioniert Marktwirtschaft. Einige unserer  Mitjäger sollten ehrlich gesagt froh sein, dass die Abschussmeldungen für z. B. das weibliche Rehwild sie nicht dauernd in Konflikt mit dem achten Gebot bringen. Ich persönlich glaube, dass wir Jäger mit den Jagdgenossen Wolf und Luchs nicht mehr und nicht weniger Jagderfolg haben werden als ohne sie. Und ich gehe fest davon aus, dass wir gesünderes, stärkeres Wild zur Strecke legen werden. Warum ich das glaube? Weil ich in Schweden, im europäischen Russland, in Sibirien, in Rumänien, in den USA gejagt habe, allesamt Länder mit einem respektablen Bestand an Großräubern. Und mit Jagdstrecken, von denen wir bei uns nur träumen können, von der Stärke des Wildes mal ganz abgesehen.

Aber zum Punkt zurück. Eines fällt auf: Die Debatte wird ja eigentlich geführt über Wolf und Luchs. Der Letztere aber scheint es geschickter hinzubekommen als sein Genosse im Geist; er schleicht sich ganz stiekum, geschickt und unauffällig in unsere Reviere und stiehlt sich damit peu à peu in das Bewusstsein der Öffentlichkeit. Salamitaktik, er hält sich quasi in Feuerlee seines caniden Gegenstücks und vermeidet damit geschickt größere Debatten. Alle Achtung.

Aber der Wolf!! Der ist geradezu ein Paradebeispiel dafür, wie man (in Deutschland!) mit geringstem Aufwand den größtmöglichen Aufruhr verursachen kann.  E i n e  einzige Sichtung bzw. Bestätigung reicht, und es rauscht, nein, es tost der Blätterwald. Und es ist alles dabei, Reaktionen und Argumente von – bis. Hin und hergezerrt wird das arme Tier. Weltuntergangsvisionen hier, Disney- Weichspülerei dort. Schafschlächter, Kindermörder, Geißlein- und Großmutterverschlinger, so hat man ihn über Jahrhunderte in das Bewusstsein der europäischen Menschen gebrannt, gefördert von Kirche und Obrigkeit; er wurde schlechthin zum Sinnbild alles Bösen bis hin zum Wundsein im Schritt. Das scheint sich, zumindest in Deutschland, gründlich geändert zu haben. Heute gilt es zumindest in „Naturschützer“- Kreisen zunehmend als schick, ihn in psychedelisch- pastellfarbenen Bildern vor dem aufgehenden Vollmond abzubilden und über die Couch oder das Ehebett zu hängen, meist heulend natürlich, oft mit Bruder Indianer, allweise, allwissend, der Abgründe alles Seins kundig, mit einem Gesichtsausdruck, „als nähre er sich vom grünen Grase“, um bei Altvater Löns zu bleiben. Und spätestens jetzt kommt Ratlosigkeit auf. Was ist denn wirklich davon zu halten? Wie immer, liegt die Wahrheit wahrscheinlich irgendwo in der Mitte.

Natürlich greifen Wölfe manchmal Menschen an und töten sie sogar! (https://ein-jagdmensch.com/weder-schmusetier-noch-reissende-bestie/) Das kann ernsthaft nicht bestritten werden nach den unzähligen Berichten der Vergangenheit, nach den (wenigen) Vorkommnissen dieser Art aus Gegenden, in denen Wölfe heute noch vorkommen. Aber es gibt sie. Wie den Fall des Studenten Kenton Carnegie, der im November 2005 in Kanada morgens beim Joggen von Wölfen angegriffen und getötet wurde. Im Mai 2010 wurde die Lehrerin Candice Berner im Südwesten Alaskas Opfer eines Wolfsangriffs.

„Nach allen Untersuchungen gibt es in beiden Fällen keine vernünftigen Zweifel daran, dass Wölfe die „Täter“ waren, auch wenn von interessierter Seite immer wieder versucht wird, solche Zweifel zu säen, damit kein Schatten auf den Öko- Heiligen Wolf falle.“  (Eckhard Fuhr, 11. Dez 2012, WELT online, Zahme Tiere oder Bestien?). Oder wie die dokumentierten Fälle aus Weißrussland in den 1990-er Jahren, als zumindest  e i n  Wolfsrudel ganz offensichtlich gezielte Jagd auf Menschen machte.

Wer also bestreitet, dass Wölfe in Einzelfällen!! Menschen angreifen, töten und sogar als Beute fressen, lebt entweder im Wolkenkuckucksheim oder will, aus welchen Gründen auch immer, die Öffentlichkeit belügen. Ich empfehle jedem Interessierten die Lektüre vor allem des Buches von Kurt Kotrschal, „Wolf, Hund, Mensch“ (Brandstätter Verlag, Wien, 2012). Es gibt noch andere sehr gute neuere Veröffentlichungen, beispielsweise die Bücher von Günter Bloch („Der Wolf im Hundepelz“, „Wölfisch für Hundehalter“, Bob Hayes „Wölfe im Yukon“, die Bücher von David Mech). Günter Bloch und seine Mitautoren / innen richten sich eher an den Hundehalter mit ihren Rückschlüssen aus dem beobachtetem Wolfsverhalten und den daraus abgeleiteten Praxistipps an Hundeführer; Bob Hayes und David Mech sind mehr fokussiert auf die Beobachtung, auf das Verhalten des Wildtieres Wolfs.

In Kotrschals „Wolf, Hund, Mensch“ liegt die meines Erachtens beste Zusammenfassung des derzeitigen Wissens über Wölfe und Hunde und ihren Sozialpartner Mensch vor, hoch interessant und aufschlussreich deswegen vor allem für die Hundehalter, die auch der jagdlich- wildbiologische Hintergrund des Themas interessiert. Hier hat ein hochkarätiges Forscherteam diese Beziehung sorgfältig studiert, analysiert und beschrieben. Aus jeder Zeile springt den Leser die Zuneigung der Verfasser zu ihren Studienobjekten an (und wenn ich sage „Studienobjekte“, dann soll die Pluralform eben neben Wolf und Hund auch den Menschen ausdrücklich einbeziehen). Aber in aller Klarheit (s. 121 ff.) werden auch die nicht wenigen tatsächlichen Todesfälle durch Wölfe beschrieben, ohne etwas zu beschönigen; das nenne ich ehrliche Wissenschaft.

Ganz klar wird aber auch herausgestellt, wie verschwindend gering dennoch das „Risiko Wolf“ für jeden Europäer ist, erst recht in Relation gesehen zu den tagtäglichen, von uns völlig  klaglos hingenommenen Lebensrisiken unserer hochtechnisierten Umwelt: Autoverkehr, häusliche Unfälle, Hundeattacken, Sturm, Hochwasser, Terrorismus und der berühmte Todesfall durch den fallenden Dachziegel. Und wie wertvoll, im ideellen Sinn, im Gegenzug das ist, was wir mit dem Wolf, dem Luchs als Rückkehrer in unsere Lebensgemeinschaft „einhandeln“.  E i n  Zitat Kotrschals jedenfalls möchte ich Ihnen nicht vorenthalten, weil es so treffend den Anspruch des „kultivierten“ europäischen Sofasitzers an alle anderen, nur nicht an sich selbst beschreibt:

„Und es ist letztlich eine ethische Abwägung des Risikos, das Menschen tragen müssen, gegen den Wert des Schutzes der Wölfe. Wir muten den Afrikanern selbstverständlich zu, mit Elefanten und Löwen ihren Lebensraum zu teilen und diese für die gesamte Menschheit zu erhalten, obwohl regelmäßig gar nicht wenige Menschen durch diese wunderbaren Tiere getötet werden. Gleichzeitig fürchten sich die aufgeklärten und gebildeten, leider aber auch sehr selbstbezogenen und egoistischen Europäer vor dem „bösen Wolf“. Der ist zwar viel ungefährlicher, verbreitet aber sehr viel mehr Angst als Elefanten. Das passt schlicht nicht zusammen.“

Soweit das Zitat. Ich persönlich kann mir den Seitenhieb an die vielfältige öffentliche Hysterie auch in Bezug auf andere hochgeputschte vermeintliche Gefahren nicht verkneifen. Und dass ich hier ausführlich auf Kotrschals Buch verweise, hat, das gebe ich zu, auch den Grund, dass er deckungsgleich ist mit meiner, schon lange vor Erscheinen seines Buches hier veröffentlichte Auffassung zu diesem Thema. Die Bestätigung, dass man mit seiner Meinung nicht allein dasteht, tut eben jedem gut.

Zurück zu den Todesfällen durch Wölfe: Diese Fälle waren und sind extrem selten. Gefährlich wurde es in Einzelfällen immer dann, wenn solche Wölfe ihre Erfahrung, nämlich eine wie leichte Beute der Mensch ist, tradieren konnten. Das gab es in den vergangenen Jahrhunderten. Das gibt es laut Kotrschal z. B. heute noch in armen Gegenden von Indien (Uttar Pradesch). Gleichzeitig ist dort eine sehr deutliche, ja fast ausschließliche Konzentration auf Kinder und, in weitem Abstand, auf erwachsene Frauen zu beobachten; Männer werden so gut wie nie Beute. Für uns hat das auf den ersten Blick einen zusätzlich perfiden Beigeschmack. Aber ganz nebenbei bemerkt: Wenn er das bei Hirschen, bei Karibus tut, bewundern wir das als effiziente Jagdtechnik. Kotrschal erklärt das in brutaler Nüchternheit mit der Intelligenz des Rudeljägers Wolf: Er sucht sich stets das leichteste, das schwächste Opfer aus.

Ich ergänze diesen Satz immer mit dem Nebensatz „wenn er die Wahl hat“. Ansonsten stirbt natürlich auch das starke, gesunde Opfer, wenn er schafft, es zu überwältigen. Kein Mensch auch wird ernsthaft glauben, was der Öffentlichkeit von allzu offensichtlich im Lager der Wolfsbefürworter stehenden „Wolfsbeauftragten“ dauernd erklärt wird: Er reiße nur krankes, schwaches Wild. Das kann z. B. bei solitär und territorial lebenden Beutearten nicht greifen, per definitionem schon nicht. Oder glaubt jemand ernsthaft, ein Wolf oder Wolfsrudel würde den begonnenen Angriff auf ein Stück Rehwild in dessen homerange stoppen, wenn es merkt, dass das Opfer jung und gesund ist, und ein Revier weiter ziehen, um einen untergewichtigen, kranken Knopfbock zu suchen? Unter Beweis gestellt hat er jedenfalls bereits jetzt die ausgeprägte Vorliebe für Nutzvieh. Das war von vornherein klar und auch völlig logisch, wenn es auch von interessierter Seite lebhaft – aggressiv abgestritten wurde – sie sind eingegattert, sie sind in der Regel langsamer als Wild und es gibt immer viele auf einem Fleck konzentriert. Der Jagderfolg ist damit gewiss. Dies alles sind Dinge, die man auch mal klar aussprechen soll – weil sie eben auf der Hand liegen und beweisbar sind.

Zurück zu Gefährdung von Menschen – das Ganze ist in Europa und vor allem in diesem Umfang ganz sicher nicht zu befürchten, aber nochmals, Einzelfälle sind nach menschlichem Ermessen einfach nicht auszuschließen. Die Kernfrage ist: Ist die Gesellschaft bereit dazu, mit diesem minimalen statistischen Risiko zu leben, mit der Gegenleistung, dass eine faszinierende Wildart sich wieder zurück meldet? Eine Spezies, die von unseren ganz frühen Altvorderen, den Jägerkulturen, noch geradezu mythisch verehrt wurde, dann aber nach dem Siegeszug von Ackerbau und Viehzucht, vor allem aber mit Beginn des frühen Mittelalters durch jahrhundertelange Propagandafeldzüge zum Inbegriff alles Bösen wurde?

Ich persönlich meine, man sollte. Es gab im Jahr 2011 allein in Deutschland mehr als 3.900 Verkehrstote, und kein Mensch denkt auch nur im Traum daran, Autos abzuschaffen; die Zahl von Verletzungen mit tödlichem Ausgang durch Haushunde liegen mir nicht vor, es gibt sie aber, trotzdem halten wir weiter Hunde; es gibt jedes Jahr Hunderte von tödlichen Unfällen im Haushalt, trotzdem steigen wir weiter auf Trittleitern. Für 3.900 Wolfsopfer, wenn wir also nur die Verkehrsopfer heranziehen, brauchten wir selbst im ungünstigsten Fall wohl viele hundert Jahre. Und wir sollten uns endlich mal bewusst machen, dass es hundertprozentige Sicherheit im Leben nicht geben kann! Je größer nämlich die krampfhaft herbeiregulierte und sowieso nur vermeintliche Sicherheit ist, desto größer sind demgegenüber die Einbußen an Freiheit, an Liberalität, an Lebensqualität. Sicherheit und Freiheit sind dem Wesen nach zwei einander sich ausschließende Rechtsgüter. Sie sind einfach beide nicht zur Gänze gleichzeitig zu haben, denn habe ich von dem einen 100 %, habe ich vom anderen 0 %. Das ist einfach so, auch wenn einige utopistische Meinungsapostel und weltfremde Gutmenschen nicht müde werden, gebetsmühlenartig das Gegenteil zu behaupten. Es ist hier wie überall – das richtige Verhältnis macht´s!! Wir sollten endlich auch lernen, uns unserer alltäglich vorhandenen Risiken klar bewusst zu werden und sie ihrem tatsächlichen Wert gemäß einzuordnen. *

Genauso klar sollte aber auch sein, dass wir erst am Anfang einer Entwicklung stehen, dass sich buchstäblich alles in jede Richtung hin entwickeln kann – und dass, sollte es Anlass dazu geben, gegen begründeten Widerstand der unmittelbar Betroffenen, also Landbewohner bzw. unmittelbar vom und auf dem Land lebende Menschen wie Bauern, Viehzüchter, Schäfer, es schwierig sein wird, Akzeptanz für den Wolf zu erreichen.

Gerade als Jäger sollten wir es auch mal positiv sehen. Sind irgendwann Wolf und Luchs flächendeckend zurück, die beiden also, von denen man annehmen kann, dass sie sich hier auch halten können, sehe ich z. B. das Dauerproblem unseres Wildes mit streunenden Hunden und Katzen gelöst. Auch das Problem mit den Schappi- verwöhnten Wohlstands- Wauwaus. Von Mutti beim Sonntags- Spaziergang im Tiefschnee von der Leine gelassen (der Hund braucht schließlich auch mal seine Freiheit!), wird hochgemachtes Reh- und Rotwild bis zur völligen Erschöpfung gehetzt. Dann, nachdem ihre letzten Energie- Reserven aufgebraucht sind, dämmern sie in irgendeiner Dickung langsam in den Hungertod. Fifi dagegen wird, wenn er denn dann endlich zu Mami und Papi zurückgefunden hat, abgeliebelt, weil er so folgsam nach einem halbstündigen Ausflug wieder zurückgekommen ist, zu Hause wird das Körbchen vor den warmen Kamin gerückt (war schließlich fies kalt draußen!), Wauwi wird mit reichlich Futter versorgt, und Mami und Papi gönnen sich einen Glühwein. Aus streng ökologischer Produktion natürlich. Die Welt ist schön!!

Ich denke, wir Jäger haben alle schon vergleichbare Situationen erlebt, auch die oft massiven Pöbeleien, die dann erfolgen, wenn wir auf diese Probleme hinweisen. Tenor: „Sie wollen doch nur in Ruhe die armen Tierchen totschießen! Unser Hasso will ja nur mit ihnen spielen, und gucken Sie mal, welchen Spaß die beiden haben! Und überhaupt, lecken Sie mich am A….! Und wenn sie sich nicht schnell vom Acker machen, zeige ich Sie an wegen tätlicher Bedrohung! Wollen mal sehen, wer dann Recht bekommt!“ Man glaubt gar nicht, in welch suboptimale Ausdrucksweisen sogar sonst eigentlich ganz gut erzogene Bundesbürger verfallen, wenn sie Wauwau und auch ihr eigenes Verhalten kritisiert sehen. Noch dazu von der Reizfigur „Jäger“. Und wie sicher sie sich dabei zu fühlen scheinen. Mit gutem Grund: Bei einem eventuellen Verfahren wird er nahezu in jedem Fall Recht bekommen. Und wenn man als Jäger bei so etwas auch noch das Pech hat, eine Waffe auf dem Rücken zu haben, was ja schon mal der Fall sein kann, wenn man im Revier ist, dann ist der Tatbestand der „tätlichen Bedrohung mit der Jagdwaffe“ auch noch ganz schnell herbeibezeugt, mit allen damit verbundenen rechtlichen Folgen.

Wie gesagt, auch solche Situationen gehörten dann der Vergangenheit an, denn weder Wolf noch Luchs dulden Nahrungskonkurrenten in ihrem Revier, sie gehen da sehr rigoros vor. Vorbei wäre auch die Zeit, in denen wir Jäger uns kollektiv mit Reinigungseiden exkulpieren müssen für jede in Reviernähe entlaufene Katze, jeden Hund, die/ der vor ein Auto läuft oder auf sonst irgendeine Weise verschwindet. Zugegeben, auch unautorisierte Ausflüge unserer eigenen Vierbeiner sollten dann tunlichst unterbleiben. Vorbei wahrscheinlich auch die Zeit, in der einem selbst aus den verschwiegensten Wildeinständen, zu den unmöglichsten Zeiten und aus den letzten Gebüschen ortsfremde Pilzsammler und Geo- Cacher entgegen gekrochen kommen; zu groß ist bei den meisten unserer zivilisationsverzärtelten Mitbürgern die Angst vorm großen bösen Wolf. Vom Standpunkt der Jäger und unseres Wildes also gesehen, eine Win-win- Situation, wie es neudeutsch so schön heißt. Also, heißen wir sie schon aus diesen Gründen willkommen.

Allerdings sollten wir uns dabei auf eine neue Debatte einstellen: Wie werden Geschädigte entschädigt? Auf die übliche Wildschadensregelung jedenfalls kann sich kein Bauer, kein Schafhalter, kein Hundehalter berufen, wenn seine Lieben gemeuchelt wurden. Zwar ist über kurz oder lang zu erwarten, dass beide dem Jagdrecht unterstellt werden, allein schon aus Kostengründen für den Gesetzgeber, denn damit greift die gesetzlich verordnete Hegepflicht, d. h., ein großer Teil der Lasten wird einmal mehr den Jägern aufgenackt. Aber durch den gleichzeitigen Vollschutz fällt weder Wolf noch Luchs unter die Wildschadens- Ersatzpflicht. Es ist also ausnahmsweise einmal jemand anderer gefragt: Der Staat. Und in diesem Punkt halte ich die derzeit gehandhabte Praxis in unseren schon etablierten „Wolfsgebieten“ für geradezu grotesk. Die Öffentlichkeit will die Wiederansiedlung des Wolfs, aber Schafhalter z. B., denen Tiere gerissen wurden, haben bei aller persönlich empfundenen Wut (so ein Schaf ist nicht nur eine Ziffer, sondern ein Tier, für das man sich verantwortlich fühlt) auch noch ein Riesengedeh, wie man bei uns sagt, um zumindest teilweise den materiellen Schaden ersetzt zu bekommen. In einem Land, das über Nacht mal eben 800 Milliarden € zur Rettung seiner maroden Banken locker machen konnte.

Ganz zum Schluss will ich ausführlich noch einmal Eckhard Fuhr und seinen Artikel aus der WELT vom 11. Dezember 2012 zitieren, weil er mir einfach gut gefallen hat, sauber recherchiert, nüchtern berichtet:

Zitat- Anfang:

In Schweden sind innerhalb von fünf Jahren – 2005 bis 2009 – mehr als 120 Jagdhunde von Wölfen gefressen worden. Das geht einem durch den Kopf, wenn man im Wolfsrevier auf den Hund wartet.

……… 

Doch auch durch regierungsamtliche Broschüren geistert das Bild vom Wolf als für den Menschen unsichtbares Nachtgespenst. Bei den niedersächsischen Wölfen scheint die Neugier die Scheu manchmal zu überwiegen. Es waren jedenfalls die drei Halbwüchsigen des Rudels, die vor einigen Wochen einen Bundeswehrsoldaten auf einem Nachtmarsch hartnäckig verfolgten.

Sie waren nicht aggressiv, ließen sich aber auch nicht verscheuchen. Als der einsame Soldat endlich auf Kameraden stieß, zogen sich die Wölfe zurück. Es gab Krisensitzungen in Munster. Soll man Soldaten im Wolfsgebiet mit scharfer Munition ausstatten? So weit wollte am Ende niemand gehen.

(Niemand weiß aber, s. Kotrschal et alii, wie das Ganze ausgeht, wenn in einer solchen Situation nur einer der Wölfe sich plötzlich, und sei es nur testweise, zum Angriff entschließt; die Regeln gruppendynamischer Prozesse gelten nicht allein für randalierende menschliche Jugendliche und Hormonbolzen. Das dürfte sofort das ganze Rudel mitreißen, und dann, fürchte ich, dann wird´s eng. D. Verf.)

………

Aber die Frage, ob Wölfe für Menschen vielleicht doch gefährlich werden können, lässt sich nach immer häufigeren Wolf- Mensch- Begegnungen nicht mehr einfach als Teil des „Rotkäppchen-Syndroms“ abtun. Auch Naturschutzverbände wie der WWF, die intensiv für die Akzeptanz des Rückkehrers Wolf trommeln, sehen langsam ein, dass man die Frage nach der Gefährlichkeit des Wolfes nicht tabuisieren kann.

……… 

Die seriöseste Datenbasis über Wolfsangriffe auf Menschen bietet der sogenannte Linnell- Report. (auch NINA- Report genannt; d. Verf.) Er wurde 2002 von einem 18-köpfigen Team aus Wildbiologen am Norwegischen Institut für Naturforschung angefertigt. Die Wissenschaftler werteten alle verfügbaren Berichte der letzten 400 Jahre aus Nordamerika, Europa und Asien aus ().

In jüngerer Zeit, zwischen 1950 und 2000, kam es danach in Europa – ohne Russland und Weißrussland– bei einer geschätzten Wolfspopulation von 15.000 Tieren zu 59 Wolfsangriffen auf Menschen. Die meisten, nämlich 38, gingen von tollwütigen Wölfen aus. Fünf endeten tödlich.

……… 

Von den 21 Attacken durch gesunde Wölfe endeten vier tödlich, alle in Spanien, wo sich ein Wolfsrudel in der Nähe einer Geflügelfarm festgesetzt hatte. Hier waren Kinder die Opfer. Gesunde Wölfe können Menschen angreifen, wenn sie in die Enge getrieben werden, ihre Beute oder ihren Nachwuchs verteidigen. 

In seltenen Fällen machen sie aber auch Jagd auf Menschen. So wurden in den Neunzigerjahren des vorigen Jahrhunderts in Weißrussland ein Rentner, ein Holzfäller und ein neunjähriges Mädchen von Wölfen gefressen. Das Mädchen war vom Lehrer bis zum Einbruch der Dunkelheit zum Nachsitzen in der Schule festgehalten und dann auf den Nachhauseweg durch den Wald geschickt worden. Man fand nur noch den Kopf. Sein Vater erschoss daraufhin den Lehrer.

In Indien ist es für Kinder in manchen Gegenden ausgesprochen gefährlich, außerhalb der Dörfer zu spielen. Im Bundesstaat Uttar Pradesch wurden in den letzten 20 Jahren 273 Kinder von Wölfen getötet, was wahrscheinlich damit zusammen hängt, dass in diesen armen, landwirtschaftlich übernutzten Regionen der Bestand an Wildtieren wie auch an Weidetieren gering ist und Wölfe lernen, dass Kinder leichte Beute sind. 

……….. 

In Deutschland verbreiten sich die Wölfe zügig, was zu Recht als großer Erfolg des Artenschutzes gefeiert wird. Als 1990 auf dem Gebiet der ehemaligen DDR die Jagd auf sie eingestellt wurde und Polen immerhin Schonzeiten einführte, brauchten sie nur ein Jahrzehnt, um alte Lebensräume wieder zu erobern. Was in der naiven Freude über die „Rückkehr der Wildnis“ leicht vergessen wird, ist die Tatsache, dass Wölfe opportunistische Beutegreifer sind. 

Wir wissen noch nicht, wie sich ihr Verhalten entwickelt, wenn vom Menschen für sie keinerlei Gefahr ausgeht. Das hatten wir und die Wölfe nämlich noch nicht. Es gibt keinen Grund, in Wolfsgebieten auf Waldspaziergänge zu verzichten oder Waldkindergärten zu schließen. Aber man darf den neuen alten Nachbarn auch nicht für harmloser halten als er ist. Das Bild vom „bösen Wolf“ ist nicht nur eine Erfindung Schwarzer Pädagogik. In ihm steckt auch historische Erfahrung.

Zitat- Ende

Dem ist, denke ich, nichts hinzuzufügen, was nicht schongesagt wäre. Gehen wir´s  also an. Mit Optimismus und gutem Willen.

Kirchveischede, 5. April 2013

Manfred Nolting

Ein Jagdmensch

*  Ein absolut lesenswertes Buch zu dem Thema: Gerd Gigerenzer, „Risiko“, Bertelsmann 2013