Schwerte und das „Zentrale Waffenregister“

„Zoll hebt riesiges Waffenlager aus“

So titelt die „Westfälische Rundschau“ vom 22. April 2015. Hintergrund: In Schwerte, einer Kleinstadt an der Ruhr in NRW, hat jemand einen schwunghaften Waffen- und Munitionshandel im großen Stil betrieben, jahrelang, unverblümt, vor allem illegal. Man fragt sich, wie das passieren konnte. Wo dem Bürger doch immer wieder versichert wird, dass man nur jede Menge Gesetze brauche, um solche Dinge unmöglich zu machen. Und wir erinnern uns lebhaft: Was haben sie sich diesbezüglich ausgetobt, die Herrschaften, nach Winnenden. Einwände, sogar und durchaus lautstark von der Gewerkschaft der Polizei, dass eine Gesetzes- Orgie nur die Falschen treffen würde, dass nämlich der gesetzestreue, also der normale Bürger einmal mehr in seiner staatsbürgerlichen und politischen Mündigkeit beschnitten wird, wurden empört vom Tisch gewischt. Und so kam es, wie es kommen musste:

Das zentrale Waffenregister (NWR) mitsamt dem damit zusammenhängenden Wust an lebenslang beamteten Personal, schier undurchschaubaren Einzelregelungen und Durchführungsverordnungen wurde beschlossen, den legalen Waffenbesitzern wurde mal eben ein Grundrecht per Gesetz gestrichen, das Waffenrecht wurde „novelliert“ mit der Folge, dass kein Schwein sich mehr auskennt, noch nicht einmal bzw. erst recht nicht die Polizei. Nun kann man ja sagen, es gab in den Jahren danach keine aufsehenerregenden Vorfälle mehr. Wohl wahr. Aber in den 150 Jahren davor mit einem weit liberaleren, handhabbareren, bürgergerechteren Gesetz auch nicht…… Der gute alte Tacitus hatte schon Recht: Corruptissima res publica plurimae leges. Das hat der schon vor 2.000 Jahren erkannt.

Der Artikel

Kommen wir zum erwähnten Artikel der WR zurück. Man muss auch sehen, dass gerade die WAZ- Gruppe, zu der auch die Westfälische Rundschau gehört, seinerzeit die ganz, ganz stramme Linie vertrat, was die geplanten neuen Gesetze und die Verschärfung der bestehenden Bestimmungen anging. Unter dem Aspekt muss man sich den Artikel weiter durchlesen. Die blanke Empörung und Entrüstung schlägt einem entgegen, der Reporter Dietmar Seher zieht alle Register. Eine Frau Haliti vom Zoll zeigt sich erschüttert: „Unvorstellbar, wie ein Mensch aus Gewinnsucht Familie und Nachbar derart in Gefahr bringen kann!“

Man sollte, meine ich, den Ball mal flach halten und den Bürger nicht wieder einmal verscheißern: Munition ist, wenn sie nicht in Patronenlagern und Läufen steckt, relativ harmlos. Wenn sie außerhalb von Waffen gezündet wird, verpufft sie mehr oder weniger; meist wird nur die Hülse aufgerissen, ja selbst das Geschoss steckt danach meist noch im Hülsenhals. Mit Schwarzpulver ist das da schon anders, das ist bekanntlich massenexplosionsfähig. Aber wie auch immer, 2,2 Tonnen auf einem Haufen, das hat schon Qualität. Das hätte, Kettenreaktion vorausgesetzt, zumindest gereicht, sein Einfamilienhaus im Wohnwert, sagen wir, deutlich herabzustufen.

Obwohl, wenn man´s genau betrachtet, relativiert sich auch das. Nehmen wir das Beispiel einer Patrone 6,5 x 65 R mit einem 8,1 g- Geschoss, die hatte ich gerade zur Hand. Das Ding wiegt komplett ca. 26 Gramm. Davon sind sage und schreibe  3,7 g Pulver, bei einer Ladedichte 1. Das sind ca. 14,2 % des Gesamtgewichts der Patrone. Das wiederum entzaubert die 2,2 Tonnen doch ganz gewaltig: An reinem Sprengstoff verbleiben dann, ähnliche Relationen dürfen wir voraussetzen, von den 2,2 Tonnen dann gerade noch gut 0,3. Sicher, damit kann man noch jede Menge Blödsinn anstellen. Aber es töst nicht so gewaltig im Ohr des Lesers wie 2,2 Tonnen, meine ich.

Und eine Waffe per se ist nie gefährlich. Nur der, der über sie verfügt, sie in der Hand hat. Und dieser Hirni hier ist zwar ein Hirni, aber offensichtlich wollte der keinem was tun und hat es ja auch in all den Jahren nicht getan. Aber so lenkt man auch vom eigenen Versagen ab, nach dem bewährten Muster: Haltet den Dieb! Und auf andere zeigen. Damit das deutlich wird: Ich bin weit davon entfernt, diesen Skandal entschuldigen zu wollen, im Gegenteil. Aber ich finde, die Schlussfolgerungen, die wir daraus zu ziehen haben, sind völlig andere als die, die jetzt vordergründig wieder konstruiert werden. Das Ganze belegt nichts weniger als den kompletten Zusammenbruch des Logik- Gebäudes dieser überregulierenden Kleingeister.

Früher und heute

Um es klar zu sagen: Solche Vorgänge waren auch schon in alten Zeiten verboten, zu Zeiten des alten Waffengesetzes also. Nur sind sie damals auch gar nicht vorgekommen, ich jedenfalls kann mich nicht erinnern. Kein Mensch hätte sich das angetan, es bestand kein Bedarf an so etwas. Man kann auch sagen, keine Nachfrage. Jeder mündige und gesetzestreue Bürger durfte sich, wenn er einen vernünftigen Grund hatte bzw. kein vernünftiger Grund dagegensprach, Waffen kaufen (mit Ausnahme der Zeit des „Dritten Reichs“, welch ein Zufall!). Und wie gesagt, seit 1848 hat´s eigentlich gut funktioniert. Und nur die allerwenigsten haben sich Waffen gekauft. Weil sie ja keine brauchten, weil die Dinger teuer sind und und und. Als Status- Symbole taugten die ja auch nicht in ihrer alltäglichen Verfügbarkeit.

Aber heute! Dem Bürger wird langsam klar, dass er längst nicht mehr selbst über sein Leben bestimmen kann, er ist schleichend entmündigt und zum Untertanen degradiert worden. Allerdings, das muss man sagen, mit tätigem Nichtstun eben dieser Bürger.*  Von einer ja so wohlmeinenden Kamarilla von Regulierern und großen Brüdern und Schwestern vor allem aus der rot- grünen Ecke. Die Folge ist: Man löckt wider den Stachel, zumindest im Verborgenen. Man sucht sich Nischen und Freiräume, Möglichkeiten, seine eigentlich nur verschüttete Renitenz, sein Aufbegehren gegen Bevormundung, den in jedem Menschen vorhandenen kleinen Zipfel an Anarchismus wenigstens ein bisschen auszuleben, sich abzuheben von der grauen Masse. Wie sagte Robert Pfaller dazu: „Soziale Distinktion wird immer wichtiger.“

Und da geraten Waffen ins Visier. Weil sie mittlerweile zum Exoten geworden sind, damit zum Status- Symbol einer Szene, die keinen unverbogenen Bezug mehr zu ihnen haben, z. B. als Handwerkszeug bei der Jagd, als Sportwaffe. Die Sicherheits- Organe unseres schönen Landes schätzen denn auch den Bestand an illegalen Waffen auf das, vorsichtig geschätzt, vier- bis fünffache des Bestandes an legalen Waffen! Völlig unreguliert, nirgends erfasst, ohne jede Kenntnis darüber, was genau bei wem eigentlich so in den Schränken steht, auf den Dachböden liegt. Nur redet darüber kein Mensch.

Die Empörung

Und man muss ja auch mal realistisch sein: Es ist ja auch in all den Jahren im Wesentlichen nichts passiert mit den Dingern. So wie übrigens in Schwerte auch nicht, um mal ganz vorsichtig zu versuchen, das „Kapitalverbrechen“ realistisch einzuordnen in den Alltag. Da hat sogar der Wolf schon mehr messbares Unheil angerichtet. Und die vorgetragene Empörung unserer Sicherheitsorgane kann ja wohl nur einem Zweck dienen: Vom eigenen Versagen abzulenken. Wir erinnern uns: Gerade die haben begeistert die Trommel geschlagen für den ganzen Kladderadatsch. (Die einzigen, die zur Mäßigung aufgerufen haben aus dieser Ecke, waren ausgerechnet unsere Polizisten, also die, die zumindest theoretisch ja eigentlich die Hauptbetroffenen wären, wenn scharf geschossen würde in den Straßen der Republik.)

Im Gegenzug wurde dem Bürger hoch und heilig versprochen, dass man nun alle Werkzeuge an der Hand habe, um alles unter Kontrolle zu haben. Ein Grund für diesen missionarischen Eifer liegt auf der Hand: Parkinsons Gesetz über die unwiderstehliche Tendenz von Verwaltungen, sich möglichst weit aufzublähen. Das ist ein ehernes Gesetz und seit langem bekannt und bewiesen, und eigentlich haben wir unsere Politiker dafür, dieser wesensimmanenten, nahezu naturgesetzlichen Dynamik entgegenzuwirken. Nur ist das immer dann schwierig, wenn man aus diesem Pool den Großteil seiner Mitglieder und Wähler rekrutiert. Aber das nur am Rande.

Die Zeit „nach Schwerte“

Nach Schwerte ist belegt: Es hat nichts gebracht. Außer, dass man den legalen Waffenbesitzern, Jägern, Sportschützen z. B., das Leben so schwer wie möglich gemacht hat und weiter macht.** Absolut gesetzestreuen und loyalen Mitbürgern übrigens, wie das jede Kriminalstatistik belegt.

In diesem Zusammenhang fiel mir dann wieder diese Meldung vom Mai 2012 ein; über die hatte ich damals schon mal was geschrieben:

“Das kanadische Parlament hat darüber abgestimmt, die vor über 10 Jahren eingeführte Langwaffenregistrierung wieder abzuschaffen. Dazu der für die öffentliche Sicherheit zuständige Minister Vic Toews: „Es hat nicht dazu geführt, dass keine Waffen von Kriminellen eingesetzt werden, es hat keinem Kanadier das Leben gerettet. Das war einfach der Versuch, der Bevölkerung den Anschein zu vermitteln, dass sie sicherer lebt, ohne etwas Substantielles gegen die Kriminalität zu unternehmen.“

Ein Beweis, dass nüchterner Realitätssinn und politische Vernunft, liberales Denken und Realitätssinn in der Politik sich schlussendlich doch durchsetzen können. Zumindest in Kanada. Und das klappt sogar in Norwegen, wo die Bürger mit der Rücknahme des Verbots für Bleischrote und bleihaltige Geschosse ebenfalls beweisen, dass man diesen Sektierern noch nicht gänzlich auf den Leim gegangen ist.

Wie gesagt: Für Deutschland ist nach Schwerte der Beweis nun ebenfalls erbracht. Es bringt nichts, null, dieser Wust an Gesetzen, Durchführungsverordnungen, Androhung rigidester Pönalen. Aber glauben Sie, dass man hier nun die richtigen Schlüsse ziehen wird? Doch wohl nicht im Traum. Schließlich gibt´s in Deutschland, dem Schlaraffenland der Regulierer, Verwalter und Bevormunder auch noch so sinnige Dinge wie die Sektsteuer. Die bekanntlich Willem II 1902 zur Finanzierung seiner Hochsee- Kriegsflotte eingeführt hat. Nach zwei angezettelten und krachend verlorenen Kriegen haben wir das Ding immer noch am Bein und sind von einer Hochsee- Kriegsflotte weiter entfernt denn je.

Fazit

2,2 Tonnen Munition. 700 Schusswaffen verschiedenster Art. Und ein jahrelanger, schwunghafter Waffenhandel auf absolut gängigen Plattformen wie e-gun u. ä. Wenn es Legalwaffenbesitzer als Käufer gegeben hat, was man ja annehmen darf, haben die die gekauften Dinger auch angemeldet. Wo sind denn die Daten verschwunden? Im Nirwana des ZWR? Man kann über einen solchen abstrusen Widersinn einfach nur den Kopf schütteln.

Wenn aber ein Jäger auf dem Weg von der Jagd nach Hause mit einer Waffe, die er schlicht vergessen hat zu entladen, in seinem Auto angehalten wird, ist er seinen Jagdschein los. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen.

Kirchveischede, 22. April 2015

Manfred Nolting

Ein Jagdmensch

* Eben das meinte unser großer Heinrich Heine, als er reimte: Der Knecht singt gern sein Freiheitslied des Abends in der Schänke.

** Welches Ausmaß die Hysterie mittlerweile angenommen hat und dass sie schon bis zu unseren unabhängigen, souveränen Richtern durchgedrungen ist, zeigt ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus 2014 (Aktenzeichen: BVerwG 6 C 30.13). Ein Jäger wurde angehalten mit 0,47 bzw. 0,39 Promille Blutalkohol- Gehalt. Also nach geltender Rechtslage z. B. weit unter dem Wert der absoluten Fahruntüchtigkeit (1,1 Promille) und nur knapp über der Grenze der relativen Fahruntüchtigkeit (0,3 Promille, „wenn andere Anzeichen hinzutreten“). Die gab es bei dem Mann nicht. Er hat also völlig legal sein Fahrzeug im Straßenverkehr geführt. Aber: Er kam von der Jagd, hatte einen Bock geschossen (wie sinnig!) und vorher zwei Gläser Rotwein getrunken.

Ein Jäger also hat nach diesem Urteil absolut nüchtern zu sein, wenn er seine Waffe führt. Es gilt die absolute 0- Promille- Grenze. Ansonsten Unzuverlässigkeit mit der ganzen Mahalla an Folgen. Ich gehe jetzt mal davon aus, dass das auch für die beamteten legalen Waffenträger gilt, also z. B. für Polizisten, Zollbeamte, Soldaten. Daraus folgt für mich: Rutscht mal eine Betriebsfeier aus, ein Kameradschaftsabend, dann fällt für die betreffende Wache kollektiv die nächste Schicht aus, und Kriege werden mal für einen Tag ausgesetzt. Oder wie soll das gehen?

Ich meine, wir sind uns einig: Waffengebrauch und Trunkenheit zusammen, das geht nicht. Aber irgendwie gießen wir Deutsche immer das Kind mit dem Bade aus, und Zwischentöne gibt es nicht. Vor allem misstraut die „Obrigkeit“ dem einzelnen Bürger massiv in seiner Fähigkeit, selbst einschätzen zu können, inwieweit zwei Gläser Wein oder 0,39 Promille Blutalkohol seine normalen Fähigkeiten derart außer Kraft setzen, dass er zur tickenden, delirierenden Zeitbombe wird. Aber das Urteil ist nun mal in der Welt, und die Verwaltungsrichter, die´s gesprochen haben, lehnen sich wahrscheinlich bei einem leckeren Glas Rotwein in der Mittagspause zurück und sind mit sich sehr zufrieden. Fakt ist: Ich persönlich werde demnächst Montagsmorgens verstärkt darauf achten, ob z. B. ein Polizeibeamter mit der geladenen P 99 am Gürtel nicht eventuell doch gerötete Augen und offensichtlich Kopfschmerzen hat. Habe ich nicht nur einmal gesehen. Aber ab jetzt meine ich, das geht gar nicht mehr. Und Bier am G 36 auch nicht, meine Damen und Herren! Mal abgesehen von den sowieso vorhandenen eingebauten Präzisionsproblemen.

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