Jäger, Wolf, Luchs + Kurti

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Jäger, Wolf, Luchs + Kurti

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Respekt unter Kollegen 

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Da hat mich letztens Jemand gefragt, ob ich einen Wolf, einen Luchs schießen würde. Ich habe geantwortet: „Nein! Es sei denn, ich wäre gezwungen, durch die Situation, das Gesetz.“

Jemand: „Warum nicht?“

Ich: „Weil wir von derselben Feldpostnummer sind. Sie mögen Rehe, Hirsche, Sauen, Hasen, ich auch. Unter Kollegen respektiert man sich.“

Jemand wurde danach auffallend still. Wie man es eben wird, wenn man eigentlich nur provozieren wollte und dann mit der Nase darauf gestoßen wird, dass Jagdmenschen nichts anderes tun wie ihre andererseits so vergötterten Kollegen von der tierischen Fraktion. Das Gespräch war danach zu Ende. Noch nicht einmal unfreundlich übrigens.

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Zu Ende denken

Man muss solche Aussagen aber immer zu Ende denken. Jemand hat da nicht eingehakt, wohl weil er gar nicht darauf gekommen ist, aber es ist so: Streng genommen gälte das ja eigentlich auch für den Fuchs, den Waschbären, den Marderhund. Ehrlich gesagt ist das bei mir auch gefühlsmäßig so: Ich habe schon seit langem keinen Fuchs mehr geschossen, ich überlasse das den Jungjägern. Ich weiß, ehrlich und vor allem konsequent ist das nicht. Aber es ist nun mal so: Bei Konflikten zwischen Verstand und Gefühl siegt oft genug die Emotio. Aber die Ratio sagt: Wir kommen nicht darum herum.

Alle drei nämlich sind im Gegensatz zu Luchs und Wolf Nahrungsgeneralisten, d. h., sie kommen auch mit Insekten, Mäusen, Würmern, Aas, menschlichen Abfällen, ja zeitweise sogar mit pflanzlicher Nahrung klar. Darauf ziehen sie sich zurück und überleben bestens, wenn sie erst mal aufgeräumt haben unter dem nahrungstechnisch viel ergiebigeren Niederwild, den Bodenbrütern, den Hasen. Sie halten – dazu noch ohne eigene bestandsregulierende Prädatoren – mit dieser Strategie ihre ohnehin hohe Bestandsdichte ohne jedes Problem – und verhindern damit zuverlässig jede Erholung des Niederwildes: Jeder Ansiedlungs-, jeder Brutversuch wird auf der Stelle mit letaler Wirkung unterbunden.

Wölfe und Luchse dagegen kommen mit dieser Strategie nicht klar. Wo kein Wild, keine Weide- und Haustiere mehr zu erbeuten sind, wandern sie ab; sie sind strenge Nahrungsspezialisten, auf Fleisch angewiesen. Der Luchs ist dazu noch eng habitatfixiert; er braucht den Wald, den möglichst dicht. Canis lupus ist da deutlich weniger anspruchsvoll, er kommt auch mit Park- und Agrarlandschaften, mit Truppenübungsplätzen etc. aus. Immer aber braucht auch er Deckung und kleinere Rückzugsareale.

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Warum der Wolf?

Es ist ganz eindeutig der Wolf, der auf den größten Widerstand trifft. Vor allem seine hohe Intelligenz, seine ausgeprägte Fähigkeit zur sozialen Organisation und die damit verbundene große Effizienz bei der Jagd bereiten ihm paradoxerweise Probleme. Dazu kommt, er ist eben einfach clever, sein geradezu manischer Drang, sich in dieser schönen Welt so gemütlich wie möglich einzurichten. Er sagt sich nämlich: Wozu soll ich mich an flinkem und auch wehrhaftem Wild wie z. B. Sauen abbalgen, wie man hier in Westfalen sagt, wenn ich die Proteinbomben eingegattert, ohne Fluchtmöglichkeit und in hoher Dichte direkt vor der Nase habe? Man sieht: Er ist uns einfach zu ähnlich, unser canider Bruder.

Vielleicht resultiert gerade aus dieser Ähnlichkeit die diffuse, ganz tief unten verankerte misstrauische Ablehnung. Denn mit diesen Fähigkeiten, mit diesen Lebensgewohnheiten ist er in den vor ca. 10.000 Jahren entstandenen sesshaften Gesellschaften von Ackerbauern und Viehzüchtern vom respektierten Mitjäger, der er für Jahrhunderttausende bei den vorherigen Jäger- und Sammlerkulturen war, zur unmittelbaren Bedrohung und Konkurrenz um knappe und damit wertvolle Nahrungsressourcen geworden, das Hausvieh des Menschen nämlich.

Das wurde umso schlimmer empfunden, je schlechter die jeweilige Nahrungssituation der Menschen war, mit denen Bruder Wolf sich das Revier teilte. Es gibt Legionen an Beispielen dafür, dass gerade nach Kriegszeiten richtiggehende Ausrottungsfeldzüge geführt wurden, um den Wolf wenn eben möglich aus dieser Welt zu tilgen. Viele Jahrhunderte lang, beginnend mit Karl dem Großen, wurden in Europa die Qualitäten eines Landesherrn auch daran gemessen, wie wirkungsvoll er die Bevölkerung vor der „Wolfsplage“ schützen konnte. Der Luchs war da viel unauffälliger: Er blieb im Wald, und Schafsrisse waren bei ihm weit seltener als bei Bruder Wolf. Aber auch die wenigen reichten dann aus, um ihm an den Pelz zu gehen.

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Gefahr erkannt, Gefahr gebannt

So ist es. Also gehen wir es gelassen an, wir Jagdmenschen. Ich meine, lehnen wir uns zurück, gehen wir einfach weiter jagen. Lassen wir uns auch von den Kollegen Wolf und Luchs argumentativ unterstützen, z. B. bei der Fuchsjagd. Wo es Bruder Wolf gibt, haben Füchse ganz schlechte Karten. Und das Niederwild in Folge deutlich bessere. Problematisch wird´s aber leider auch für die Wildkatzen da, wo es Cousin Luchs gibt. IGP, „Intra- Guild Predation“ nennen das die Wildbiologen, frei übersetzt: „Räuberdruck unter (Berufs-) Kollegen“. Man sieht, auch das haben sich nicht die perfiden Menschen, vor allem Jagdmenschen ausgedacht, das hat wahr und wahrhaftig der Große Gasförmige in die Welt gesetzt. Man sieht weiter: Man muss wirklich alles zu Ende denken.

Unterstützung bekommen wir aber auch, wenn man uns dauernd den „unnatürlichen“ Jagddruck vor die Nase hält, auch da sind die Kollegen hilfreich: Da lachen die sich nämlich kaputt. Sie sind im Revier, jeden Tag für 24 Stunden, 365 Tage im Jahr. Und kein „Naturschutz“- Mensch regt sich bei denen darüber auf. Im Gegenteil, die sind sogar froh darüber und haben wohl deshalb so viele Kilo Schappi mit in den Wald genommen. „Kurti“ z. B. konnte man danach viel besser fotografieren und die Fotos ins Internet stellen, Motto: „Seht Ihr, wie nahe ich dran bin an der wilden, wahren Natur?“ Nur leider mit letalem Ende für Kurti, den Wauwau- Knautscher. Ich bin nur gottfroh, dass sich kein Jäger dazu hergegeben hat, den armen Kerl zu füsilieren. Dafür musste ein Scharfschütze der Polizei herhalten.

IGP, Intra- Guild Predation eben. Nur diesmal politisch motiviert, aus Sorge um einen Ministerposten. Und weil man nicht zugeben will, dass man den Bürger jahrelang sehr wählerwirksam systematisch verscheißert hat.

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Kirchveischede, 16. Mai 2016

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Manfred Nolting

Ein Jagdmensch

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1 Kommentar
  1. Ronald Braun
    Ronald Braun sagte:

    „Man muss wirklich alles zu Ende denken“
    damit ist schon beinahe alles gesagt!
    Sehr gut geschrieben!!!
    …und auch noch mir aus dem Herz gesprochen!
    DANKE Manfred!!!!

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