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Altkanzler Schröder, Kumpel Putin und die Jagd

oder

Beim Ansitz mal weiter gedacht

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Eine Meldung erschüttert seit einigen Tagen die Medienwelt: Altkanzler Gerhard Schröder wird von seinem Männerfreund Putin, dem „absoluten Demokraten“, als „unabhängiger Direktor“, das entspricht in Deutschland in etwa einem Aufsichtsratsmandat in einer Aktiengesellschaft, ins Board des Staatskonzerns Rosneft berufen. Offizielles Salär: 500.000,00 € per anno. Und jetzt greift das zunehmend über auf den Wahlkampf.

Die SPD steht Kopf, das ist nämlich ein Hammer, denn Putin und sein praktisch diktatorisch geführtes Russland ist derzeit nicht so gut gelitten in der deutschen öffentlichen Meinung, seit Jahren schon nicht. Mit Recht, wie ich meine. Journalistenmorde, mal locker die Krim besetzen, eine Passagiermaschine abschießen lassen, ganz unverblümt einen Krieg in der Ukraine am Leben erhalten, in Syrien einen Massenmörder zu schützen, das alles garniert mit den zynischsten Kommentaren, die man sich denken kann – die Litanei ist lang.

Und jetzt das.

Ja hat denn der Schröder jetzt Alzheimer?

Könnte man meinen. Ich persönlich glaube das aber nicht.

Mal ehrlich: Glaubt nur ein Mensch, der denken kann, dass Schröder nicht genau weiß, was er tut? Und sein Kumpel Wladimir? Und dass die nicht genau wissen, warum sie das ausgerechnet jetzt tun, mitten im ohnehin für die SPD mehr als schwächelnden Wahlkampf, in einem Land wie Deutschland?

Die Antwort ist:

Schröder ist die Empörung sch … – egal, er sieht seine alte Partei sowieso als Verlierer, und das erst recht, wenn Putins (und seine) Strategie Erfolg hat. Das Ganze ist für ihn persönlich dagegen hoch lukrativ. Oder glaubt nur ein Mensch, der die Szene kennt, vor allem die staatlich- russische Durchstecher- Szene, dass da lediglich die mickrigen 500.000 € Jahressalär im Gespräch sind? Man kann beruhigt davon ausgehen, dass im Hintergrund ganz andere Summen über dezente Konten für diese Dienstleistung laufen.

Nein, der wirkliche Grund für dieses wohl inszenierte Theater ist, dass wir es mit einem typischen Putin- Spielchen zu tun haben: Er traut sich nicht mehr, so offensichtlich wie bisher über seine Hackertruppen Wahlen seiner Widersacher zu beeinflussen. Die USA hat er damit paralysiert, das hat super geklappt, die Vereinigten Staaten versinken für die kommenden 3 ½ Jahre im politischen Chaos, dem gefährlich naiven Esel Trump und seiner sagenhaften – ja was? – „Unbedarftheit“ sei Dank.

Das Ganze jetzt im bundesdeutschen Wahlkampf zu wiederholen wäre wirklich riskant. Macron und seine Geheimdienste stehen eh schon in den Startlöchern, die sind auch angepisst, nehmen allerdings Rücksicht auf die Wahlergebnisse in Deutschland. Dann sind die Karten gemischt. Neu. Das sieht zur Zeit nicht gut aus für ihn, zumindest was „la France“ betrifft.

Auf der anderen Seite: Putin zündelt einfach gern, als ehemaliger Geheimdienst- Fusstruppler. Er fühlt sich unterbewertet, er meint, dass man seinem überbordenden Genie nicht genügend Rechnung trägt. Und weil er innenpolitisch einfach nichts bringt, verlegt er sich auf die außenpolitischen Spielereien. Das muss er einfach, das gehört schon zu seinem innenpolitischen Theater, um seine persönlichen Absahnereien im großen Stil zu bemänteln.

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Was tun?

Was aber kann man tun, wenn die Hacker- Truppen ausfallen? MeckPomm zu annektieren verbietet sich einfach, da könnte Angie ernsthaft böse werden, und vor der hat er mores, der Macho. Ganz abgesehen davon, dass der polnische neue „Führer“ Jaroslaw Kaczynski (der heißt nicht umsonst so wie der UNA- Bomber selig, glaube ich) bei einem nochmaligen Truppendurchmarsch da etwas pikiert wäre; der würde glatt noch mehr Bürgerrechte kassieren. Da muss man andere Ideen entwickeln. Und siehe da, da findet sich das eine oder andere.

Den Anstoß zu dieser Handlungs- Kaskade hat, glaube ich, Christian Lindner von der FDP letztens geliefert, mit seinem öffentlichen Plädoyer, dass man „die Annektion der Krim als zumindest mittelfristige Realität anzuerkennen“ solle. Das ist einer der Sätze, die auf Typen wie Putin und seine Strategen außerordentlich elektrisierend wirken. Das nimmt man auf. Daraus kann man was machen. Putins Schlussfolgerung daraus: Mit allen Mitteln die SPD schwächen.

Die erste Reaktion ist: Bhhf … warum das denn? Ist doch Blödsinn.

Zugegeben, auf den ersten Blick fragt man sich, was das denn soll. Aber nur auf den ersten Blick. Auf den zweiten Blick sieht das schon ganz anders aus.

Schwächelt nämlich die SPD derart, dass die anderen, kleineren Parteien davon profitieren können, ist die Gefahr der Neuauflage der großen Koalition geringer, damit die Gefahr der Beibehaltung der bisherigen starren Sanktions- Strategie.

Denn die Linke ist eh im streng stalinistischen Lager, für Sarah und ihre Genossen ist es ein riesengroßer Unterschied, ob Alt- Kommunisten morden, okkupieren und die Menschen- und Bürgerrechte mit Füßen treten oder ob rechte Populisten oder Nazis das tun. Bei ersteren meinen die´s ja nur gut, und wo im Dienste der großen Sache gehobelt wird, fallen eben Späne. Im zweiten Fall ist es geplante Mordlust und unmenschlich. Ohne Wenn und Aber.

Die Grünen sind auch eher gesprächsbereit, sie wollen nur eins: Mit allen Mitteln an den Fleischtöpfen bleiben; irgendeine tönende Ausrede findet sich später immer.

Und was die FDP will, hat Christian Lindner sehr deutlich in die Mikrofone gesprochen. Wenn´s wohl auch ein Schnellschuss war – so was ist schlecht zurückzuholen, vor allem im Wahlkampf nicht, da wird man genüsslich erinnert.

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Putins Folgerungen

Vor diesem Hintergrund gesehen also ist Schröder allemal besser als tausend Hackertruppen, die dazu auch noch dauernd auffallen, deren Aktivitäten zurückzuverfolgen sind, und sei es durch Algorhithmen. Schröder aber fällt nicht auf. Auffällig ist lediglich, dass er nicht nur nicht einfach einknickt, denn seine Partei kackt gerade ab, nein, dass er sogar noch einen draufsetzt. Empört. Aber passend. Zufällig nur passend für, für CDU / CSU.

Der Duktus ist: Er habe das Gefühl, dass mit seiner rein persönlichen Entscheidung (natürlich!) jemand Wahlkampf für Angela Merkel mache ….

Wie Recht er hat! Sein Kumpel nämlich. Also, der „lupenreine Demokrat Wladimir“.

Jetzt kann man ja sagen, der Nolting hört die Flöhe husten. Kann man. Aber ganz ehrlich, für jemanden, der das eigenständige Denken noch nicht durch FB oder sonstwen erledigen lässt:

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Ich persönlich glaube: 

Schröder war jahrzehntelang Spitzenpolitiker, davon, ich glaube, sieben Jahre Bundeskanzler. So jemand weiß, was er tut, vor allem ist er gewohnt, genau zu überlegen, was die Folgen solchen Tuns sein könnten. Was die Folgen dieser gezielten, gut terminierten Attacke für die SPD sind, steht fest: Der Gaul wird geritten werden, gnadenlos! Und wir sind erst am Anfang, die CDU / CSU können ihr Glück momentan noch gar nicht fassen, sind in Schockstarre. Aber das wird sich ändern, todsicher, sie formieren sich gerade, es wird gerade konzertiert. Denn Schröder hat ja bis vor kurzem noch fleißig Wahlkampf für seinen alten Verein gemacht hat. Folglich tun sich die Genossen jetzt außerordentlich schwer, Distanz zu ihm zu demonstrieren. Dementsprechend gequält sind die Kommentare und die dazu gehörigen Gesichter: Die Genossen sind überrumpelt, ratlos, und sie fühlen sich verraten. Und das sind sie auch.

Denn: Was hätten die Strategen Schröder und Putin verloren, wenn sie mit dieser Personalie bis nach dem 24. September gewartet hätten? Nichts. Gar nichts. Und sie hätten nicht nur nichts verloren, nein, sie hätten sogar gewonnen. Denn kein Politiker im Nicht- Wahlkampf- Modus wäre überhaupt auf die Fortsetzung des Dauerskandals angesprungen, das ist längst ausgelutscht. Die Presse hätte kurz berichtet, aber das wäre bald vergessen gewesen, und Schröder hätte nicht, wie jetzt, zumindest kurzfristig als Schmutzfink dagestanden – kurz: es wäre eine Win- Win- Sache gewesen.

Warum dann? Siehe oben.

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Und was hat die Jagd damit zu tun?

Ganz einfach. Man muss als Jäger schon ausgesprochen um die Ecke denken können, um an Beute zu kommen. Man muss einfach kapieren, wie Sauen, Rehe, Feisthirsche und Konsorten denken. Wenn man das nicht lernt, kriegt man die nie. Und das wiederum bedeutet einen unendlichen Verlust an Jagd- und anschließenden Gaumenfreuden.

Wenn man aber das kann, also sich in Sauen, Rehe, Hirsche und Co hineinzudenken, dann ist es keine große Kunst mehr, das auf Politiker und sonstige Machtmenschen zu übertragen.

Früher galt die Jagd als wichtiger Bestandteil der Charakter- und Persönlichkeitsbildung, vor allem für das Führungspersonal. Das hatte (und hat) sicher seine Gründe. Weil man die dabei gewonnenen Denkweisen, Strategien und Fertigkeiten auf andere Umgebungs- und Wirkungskreise übertragen konnte. So wie z. B. die Politik. Allerdings haben die so gewonnenen Erkenntnisse da meist Haut-Gout. Da lobe ich mir die gute, alte Jagerie.

Man sieht mal wieder – man kann tun, was man will in diesem Leben, irgendwann stösst man unweigerlich auf die Jagd. Finde ich gut. Vor allem logisch.

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Kirchveischede, 17. August 2017

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Manfred Nolting

Ein Jagdmensch

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Das verschwundene Paradies der Jäger

oder

Was man daraus heute schlussfolgern könnte. Wenn man will …

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Ich habe gerade auf ZDF neo eine Sendung über die Eiszeit und ihre Kunst gesehen. Das ist zwar alles bekannt, aber immer wieder schön zu sehen, spannend allemal. Man bekommt bei diesen Sendungen aber auch immer wieder mitgeteilt, wie erbärmlich das Leben damals war, wie entbehrungsreich, wie gefährlich – kurz, die Hölle auf Erden. Da bekommt man dann mal wieder wieder den Anstoß, selbst zu denken, das Gehört- Gesehene mit den eigenen Informationen abzugleichen  und die Ergebnisse daraus zu artikulieren. Das haben viele andere zwar schon zigmal getan, aber man gibt ja nicht auf.

Es gab Alke im Mittelmeer, wie Höhlenbilder zeigen, nordische Vögel also. Längst ausgestorben. Das Gleiche gilt für Mammut, Wollnashorn, riesige Renherden in den damals unendlichen Tundren (auch Mittel- und West!)- Europas, eine Welt und Fauna von einer Üppigkeit, ein Paradies für Jäger und damit Menschen damals, von der wir uns heute keine Vorstellung mehr machen können. 1) Nicht umsonst wurde die Kunst im Europa der Eiszeit erfunden, zumindest ist sie hier durch Funde belegt. Denn die Eiszeit war keineswegs ein irdisches Jammertal, das genaue Gegenteil ist der Fall. Wer hätte Menschen damals daran hindern können, einfach wärmere Gefilde aufzusuchen? Platz war genug, Grenzen waren unbekannt. Nein, sie blieben hier, in ihrem Paradies, ja wanderten freiwillig von Afrika kommend hier ein.

Nur in relativer Sorglosigkeit lebende, entspannte Gesellschaften, damals hieß das vor allem aller Nahrungssorgen ledig, haben überhaupt das Interesse, die Muße, die freien Ressourcen, Kunst zu entwickeln, dazu noch in derartiger Vollendung, auf so hohem Niveau wie die Höhlenbilder von Altamira, Lascaux et alii, den Löwenmann vom Geißenklösterle auf der Schwäbischen Alb. Oder sich mit Musik zu beschäftigen, siehe die gefundene Flöte ebenda. Und dann dieses Niveau über mehr als 30.000 Jahre lang zu erhalten, auch das dürfen wir nie vergessen. Es waren Jäger, und zwar ausschließlich Jäger, die diese Kulturstufe damals erreicht haben.

In einer Periode von ca. 5.000 bis 10.000 Jahren, und zwar nach heutigem Kenntnisstand zwischen 45.000 und 35.000 vor Christus, wanderte homo sapiens sapiens, der überkluge Mensch, aus dem warmen Afrika kommend !! in Europa ein. Und damit zum Höhepunkt der letzten Eiszeit. Ich meine, die hätten ja umkehren können, wenn es so entbehrungsreich war wie heute dauernd geschildert, denn Platz genug gab es im damaligen Afrika, und zwar ohne Ende. Taten sie aber nicht. Warum nicht? Ganz einfach: Es gab im Vergleich zu Afrika Nahrung (Wild) in Hülle und Fülle, es gab nahezu überall klares, sauberes, nicht verkeimtes Wasser, es gab keine Gifttiere, keine Krokodile, keine Malaria oder sonstige Tropenkrankheiten, es gab ein verlässliches, stabil voraussehbares Wettergeschehen und Klima, keine Tropenstürme, dank des Feuers war man absolut sicher vor den damaligen Großräubern. Es war zwar kühl, im Winter ausgesprochen kalt, aber trocken kalt, mit dennoch genug Wasser, und wie gesagt, es gab Wild-, vor allem Herdentiere in unendlichem Überfluss, mit fast auf den Tag voraussagbaren Wanderbewegungen, ad libitum. Man erinnere sich an die Kultur der Prärie- Indianer mit den riesigen Büffelherden, bevor die Weißen kamen: „In a sacred manner I live“ (englisch übersetzt, auf deutsch sinngemäß: Ich lebe auf eine gesegnete Weise) war damals ein Lied der Lakota.

Homo sapiens sapiens fand in Europa den Neandertaler vor, in geringer Bevölkerungsdichte, wie man heute weiß. Den er wohl nicht ausgerottet, aber genetisch langsam aufgesogen hat; heute finden Genetiker vor allem im Genom der Menschen Europas ca. 4 % des Neandertal- Erbes; das wird wohl dem damaligen zahlenmäßigen Verhältnis der Bevölkerung der beiden Menschenarten zueinander entsprechen. Und die Kultur der Ankömmlinge, ihre Kunstfertigkeit in Bezug auf bildende Kunst, Musik, sehr wahrscheinlich auch in Sagen, Mythen, Überlieferungen – sie blühte hier auf, die Höhlenkunst, die Funde beweisen das. Und sie hausten viel, viel weniger in Höhlen, als man sich das heute vorstellt, vielmehr in Jagdcamps, wie vor vergleichbar kurzer Zeit noch die Eskimos, die sibirischen, nordamerikanischen Jägergesellschaften; die Höhlen waren meist keine Wohn-, sondern Kultstätten, an und in denen man sich traf, wie in der christlichen Epoche in Europa in den Kirchen.

Und dann kam, vor ca. 12.000 Jahren, der Umschwung, die „Klima- Erwärmung“. Ganz ohne Autos, Erdöl und Industrie, ohne den bösen Klimakiller CO2, abrupt, quasi über Nacht, und die ganze Pracht schwand dahin. Die Gletscher auf der Nordhalbkugel schmolzen in geradezu atemberaubendem Tempo, der Meeresspiegel, in der Eiszeit ca. 120 Meter unter heutigem Niveau (die heutige Nordsee z. B. war Grassteppe, Tundra, die Ostsee gab es noch nicht) stieg vor allem im sogenannten Atlantikum – deutlich wärmer als heute – pro Jahr!! um mehrere  Zentimeter – wir Menschen leben noch. Man kann sich gar nicht vorstellen, wie unsere heutigen „Weltretter“ ausrasten würden, wenn das auch nur annähernd heute passierte. Eurasien, Nordamerika bewaldete sich, was einherging mit dem Aussterben der eiszeitlichen Steppen- Großfauna – und mit nur noch einem Bruchteil der vorherigen Wilddichte und Üppigkeit, weil eben Grassteppen ein Mehrfaches an verwertbarem Nahrungspotential zu bieten haben als Wälder. Das verschwundene Paradies in den Mythen der Menschen, der Bibel, es muss das eiszeitliche Europa, Asien, Nordamerika der Jäger gewesen sein.

Als Folge, denn Menschen haben sich schon immer etwas einfallen lassen, wenn es eng wurde, kamen Ackerbau und Viehzucht. Der Ackerbau übrigens nicht nur erfunden in der Alten Welt bzw. im Orient, im fruchtbaren Halbmond, sondern auch in den mittelamerikanischen Kulturen; nur gab es im damaligen Amerika keine vergleichbaren relativ großen Säuger wie bei uns, die sich domestizieren und zur Arbeit verwenden ließen wie Rinder, Pferde, Ziegen, Schafe. Allerdings, zumindest bei uns,  auch mit dem Rattenschwanz an Problemen gesundheitlicher und gesellschaftlicher Art, die wir heute noch kennen – Krankheiten, vor allem Zoonosen (Viehhaltung !), abrupt sinkende durchschnittliche Lebenserwartung, aber einer stetig wachsenden Bevölkerung, vor allem örtlich massiert, nämlich da, wo Böden und örtliches Klima Ackerbau erlaubten. Was wiederum die Ausbreitung der eben erwähnten Übel erst möglich machte – je dichter Menschen aufeinander sitzen, desto gründlicher die Durchseuchung mit den neuen Erregern. Aber so entstanden dann auch Resistenzen gegen diese neuen Plagen. (Was, kleine Nebenbemerkung,  Jahrtausende später hilfreich war bei der Kolonisierung der „Neuen Welt“, denn vor allem die indigenen Amerikaner wurden, wenn auch nicht gezielt, aber von den europäischen Kolonisten freudig begrüßt, mehr durch für sie tödliche Krankheiten, Pocken, Masern, Grippe und wie sie alle hießen, besiegt als „auf dem Felde der Ehre“).

Die Jagd fand nur noch am Rande statt, als Nebenressource und Ergänzung zu Ackerbau und Viehzucht, zur Lebensertüchtigung und Erziehung des Nachwuchses der Oberschicht. Eine Schicht übrigens, die es in Jäger- und Sammlergesellschaften noch nicht gab, sie entstand mit dem Ackerbau, mit damit einhergehender Arbeitsteilung und mit konzentrierter Ressourcenverfügbarkeit (Land, Bodenschätze) in Händen eben dieser Oberschicht. Aber man kam klar, man arrangierte sich, man stellte sich den Problemen und machte das Beste daraus. Denn was hilft es, sich an Klagen und Alarm abzuarbeiten, gegen Windmühlenflügel zu kämpfen? Gegen Veränderungen der Umwelt, die sich zig-fach auch vorher schon ereignet haben, die verursacht werden durch ein ungeheuer schwer zu durchschauendes, hoch komplexes Ursachengefüge, dessen Hauptakteur, die Sonne, von uns per se nicht beeinflussbar, ja noch nicht einmal ansatzweise richtig verstanden ist. Das, fand man damals in der vorwissenschaftlichen Zeit, bindet nur Arbeitskraft, die man viel besser verwenden kann, um sich mit dem Unabänderlichen zu arrangieren, neue Wege zu finden, statt sich ressourcenvergeudend an Popanzen abzuarbeiten. Es hat ja auch irgendwie immer geklappt, trotz – im Gegensatz zu heute – w i r k l i c h  stattgefundener Katastrophen. Vor allem in den letzten 50, 60 Jahren hat das Wissen, haben die Wissenschaften sensationelle Fortschritte gemacht, finde ich. Nur in den Klima- Wissenschaften rennt ein Teil der Belegschaft, vor allem der, der davon profitiert, dem medialen Katastrophen – Mainstream und damit dem Gegenteil hinterher.

Zur Klarstellung: Niemand kann bestreiten, dass es vor allem in den letzten 30 Jahren wärmer geworden ist. Das will auch kein normal denkender Mensch, zu klar sind die Temperatur- Messreihen seit ca. 1850. Ganz zufällig  aber endete genau um diese Zeit die so genannte „kleine Eiszeit“, eine ca. 300 bis 400 Jahre andauernde deutliche Abkühlung, verbunden mit allen möglichen Katastrophen, als da sind: Deutlich kältere Winter, kühle, verregnete Sommer, mit permanenten Kriegen, mit Hungersnöten und Seuchenzügen zumindest auf der Nordhalbkugel. CO –  bedingt ?? Die „Kleine Eiszeit“ – der Referenzpunkt, die Vergleichsbasis für den heutigen Katastrophen – Diskurs  in Sachen „Klimaerwärmung“ lag also temperaturmäßig deutlich unter dem „Normal“- Niveau des derzeitigen Interglazials. So geht „Wissenschaft“ natürlich auch. Honi soit, qui mal y pense. Und Schwankungen dieser Art nämlich haben vor allem im Eiszeitalter, und genau darin befinden wir uns seit einigen Millionen Jahren, wenn auch heute in einem, s. o., Interglazial sprich relativ kurzer Warmzeit, zig unbestrittene und unbestreitbare Beispiele. Wenn sich in der sogenannten Eem-Warmzeit, einem früheren Interglazial, vor ca. 115.000 Jahren Elefanten und Nilpferde an und in der Themse, am Oberrhein  tummelten – CO2 – bedingt ?? Dass es im sogenannten Atlantikum, einer Periode unserer heutigen Warmzeit vor ca. 8.000 bis 5.500 Jahren, dass es im sogenannten Römerzeit-, im Hochmittelalter – „Optimum“ (optimum = lateinisch „das Beste“ = Perioden höchster Kulturentwicklung und deutlicher Prosperität, mit hohem Bevölkerungswachstum, mit kulturellen Explosionen) wärmer war als heute –  CO – bedingt ?? Um das noch einmal hervorzuheben: Ganz ohne Autos, Erdöl, ohne Kohlekraftwerke, Kaminöfen und was dergleichen „Todsünden“ mehr sind.

Eines ist unbestreitbares Faktum: Es geht uns heute bestens. Verglichen mit allem, was früher war, leben wir vor allem in Europa heute in einem Paradies: Mit hoch entwickelter Medizin- und Medizintechnik, mit einer immens gesteigerten durchschnittlichen Lebenserwartung, mit hoch entwickelter Wissenschaft überhaupt, mit, so man denn nur will, praktisch unbegrenztem Zugang zu sämtlichen Informationen dieser Welt (Literatur, Medien, Internet), mit einem enorm gesteigerten Bildungsniveau, mit einer immensen Steigerung der Vorsorge vor (unvermeidbaren) Umweltkatastrophen 2) wie Vulkanausbrüchen, Stürmen, Hochwasser etc.: Katastrophe ?? Das ist ja wohl ein Witz. Aber der ist offenbar weit verbreitet.

Allerdings leben wir auch mit all den Folgen dieser Fettlebe. Es geht uns nämlich sogar so gut, dass einige Misanthropen, die anscheinend mit Kunst, vor allem mit (wissenschaftlicher) Bildung nichts anzufangen wissen, eine neue Form der Ablenkung gefunden haben: Den Alarmismus. Der praktischerweise für diese Berufs- Alarmisten dann auch noch zum Riesengeschäft zu Lasten der Allgemeinheit geworden ist. Das Erfolgsrezept: Die Veränderungen dramatisieren, vor allem möglichst nur eine einzige Ursache bzw. einen einzigen Verursacher benennen und diese „Erkenntnis“ stakkatoartig und permanent in allen verfügbaren Medien zu wiederholen. Gutta cavat lapidem non vi, sed saepe cadendum, sagten die alten Lateiner: Der stete Tropfen höhlt den Stein. Gustave LeBon lässt grüßen. Wahrheitsgehalt ? Wen interessiert das denn ?

Nach dem Waldsterben (dem gerade durch Herrn Remmel nach langer Totenstarre wieder versucht wird, Leben einzuhauchen, anscheinend gehen ihm die Katastrophen aus) ist es vor allem das CO2, das Kohlendioxid, bekanntlich und unbestritten die Basis für alles pflanzliche, tierische und menschliche Leben auf diesem Planeten. Wenn man dann noch dazu ein zufälliges Zusammentreffen von Ereignissen, die sonst nichts verbindet (der Statistiker nennt das  Koinzidenz) zu einem Ursache- Wirkungs- Gefüge umdeutet, mit möglichst nur einem einzigen plakativen Auslöser (das ist für viele Menschen einfach leichter zu verdauen), wenn man dann auch noch das Etikett „menschengemacht“ dranpappt – ja dann hat man in Deutschland sofort gewonnen. Auch für dieses typische und manipulative Vorgehen, also die Gleichsetzung von Koinzidenz, dem zufälligen zeitlichen Zusammenfallen zweier Ereignisse mit unterschiedlichen Ursachen und auf der anderen Seite einem Ursache- und- Wirkungs- Gefüge, haben die Statistiker einen Fachbegriff bzw. umschreiben es so: „Cum hoc, ergo propter hoc“. „(Zeitgleich) mit diesem, also wegen diesem oder verursacht durch dieses.“ Man sieht, das Problem kann nicht neu sein, wenn´s dafür sogar einen lateinischen Fachbegriff gibt.

Aber kommen wir zurück zum vergangenen Jägerparadies: Ich stelle mir gerade das Geschrei vor, hätte es damals, zum Ende der letzten Eiszeit, schon die Umwelt- Alarmisten heutigen Zuschnitts gegeben, wohlstandsverwahrlost, meist ungebildet, sendungsdurchtränkt, ergriffen von ihrem eigenen Pathos – und völlig überrascht, schnell aber fasziniert vom finanziellen Erfolg der gezielten Verblödung: Die hätten vor lauter „gerechter“ Empörung garantiert die Erfindung der Schrift um 10.000 Jahre vorgezogen, um das ebenso „garantiert menschengemachte“, vor allem durch die Jagd verursachte „Umweltverbrechen“ penibel dokumentieren zu können, sie hätten Massendemonstrationen organisiert (Motto: Erhaltet die Gletscher in Norddeutschland, aber nur da, denn die Ur- Skandinavier hätten sicher nicht mitgemacht, die waren genervt vom Eispanzer), hätten sich mit Birkenpech auf Findlingen festgeklebt und sonstige Allotria mehr. Natürlich wären sie schon damals „gemeinnützig“ gewesen, und praktischerweise hätten sie dann flächendeckend auch um eine Spende von fünf Gramm gedörrtem Ren pro Eiszeitmensch gebeten. Die Masse macht´s, siehe heute ……3)

Zumindest die frühe Erfindung der Schrift wäre ja mal was gewesen, was die Menschheit vorangebracht hätte.

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Kirchveischede, 19. November 2016

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Manfred Nolting

Ein Jagdmensch

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 1)   Es gibt eine schöne Veröffentlichung zu dem Thema:  „Eiszeitjäger – Leben im Paradies“, veröffentlicht vom Landschaftsverband Rheinland / LVR LandesMuseum Bonn als Begleitbuch zur Ausstellung „Eiszeitjäger – Leben im Paradies. Europa vor 15.000 Jahren“, LVR- LandesMuseum Bonn,, 23. Oktober 2014 bis 28. Juni 2015. Hat die Sendungsleitung des ZDF offensichtlich nicht gelesen. Faszinierend, spannend !!

2)  Ich zitiere hier einmal aus einem hoch interessanten Buch des Soziologen Gerhard Schulze (Krisen – das Alarmdilemma): „In einem komplexen System ist nichts so gewiss wie der nächste Störfall.“  Und was wäre denn unsere Umwelt, unser Wettergeschehen anderes als die Steigerung von komplexem System – nämlich ein chaotisches System ? 

3)  Es ist ja grundsätzlich nichts auszuschließen. Wer weiß, vielleicht finden wir einen Beleg ja irgendwann mal in einer irgendeiner Höhle, 10.000, 12.000 Jahre alt. Ich persönlich wäre nicht so sehr überrascht. 

 

Die Jagd und die hormongesteuerte Gefühlswelt

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Die Natur hat viele Wege, Anreize zu setzen. Wenn die ganz elementaren wie z. B. Hunger oder Durst nicht reichen, setzt sie gern auch schon mal andere ein, z. B. Endorphine. Das sind bekanntlich vom Körper selbst produzierte Opioide, die starke psychogene Wirkungen entfalten. Adrenalin, Serotonin, Dopamin, Oxytocin, was gibt es da nicht alles. Und gerade wir Jäger sind ihre leichte Beute. Weil wir Beute machen. Ich will einmal versuchen, nachzuzeichnen, was da im einzelnen in uns abgeht:

Zunächst einmal beginnt es mit der bekannten Unruhe: Es könnte sich ja was tun im Revier. Im Fernsehen gibt´s sowieso nichts, Frau und Kinder sind beschäftigt. Die Unruhe überträgt sich auf Deinen Hund – oder von dem auf Dich. Bei Perry Rhodan war Telepathie eine Fiktion – bei Jäger und Hund ist sie eine Tatsache. Also Entschuldigung gemurmelt, Hund an den Strick, alles eingepackt, los. Dann bist du im Revier. Und jetzt geht es los: Du suchst (unbewusst!) nach dem AAM, dem „angeborenen auslösenden Mechanismus“ oder „Schlüsselreiz“. „Appetenzverhalten“ nannte der berühmte Ethologe Konrad Lorenz das Ganze. (Ganz richtig, das hat was mit „Appetit“ zu tun.) Idealerweise begegnet der Schlüsselreiz Dir dann in Gestalt des Bocks, des lange gesuchten Eissprossenzehners, des kapitalen Bassen. Oder einfach als Winterfuchs.

Jetzt beginnt schlagartig das Adrenalin zu wirken. Wir kennen das alle: Diese vollständige Fokussierung, das Ausblenden der Außenwelt, einzig Dein Hund hat noch Zugang zu Dir (wenn er dabei ist, und dann gilt umgekehrt das Gleiche!). Es könnte jetzt alles passieren, der BVB 10 zu 0 verlieren: Völlig bedeutungslos. Alles, was Du siehst, ist Dein AAM oder Schlüsselreiz in Gestalt des Bocks, des Schweins, des Hirschs. Und alles was wirkt, ist Adrenalin. Dann kannst Du endlich schießen, das Stück liegt. Du lädst nach, wartest. Dann los, Du bist am Stück, bist sicher. Abblasen ist angesagt, langsame Entspannung. Jetzt kommt die Umschaltung, Adrenalin wird abgebaut, Ruhe tritt ein. Erst mal fünf Minuten sitzen, runterschalten. Und mählich schleicht sich diese Entspannung ein, dieses gute Gefühl, diese Zufriedenheit, die wir alle kennen: Beute gemacht!

Beute gemacht zu haben bewirkt jetzt nämlich die Ausschüttung der Belohnungs- oder Glückshormone Dopamin und Serotonin. Das ist so, bei jedem Menschen. Sie rufen nach der erfolgreichen Jagd folgende Gefühle hervor: „Gut gemacht!“ und „Das Essen für die nächsten Tage ist gesichert!“ Bei Ihnen nicht? Ich wäre da nicht so sicher. Glauben Sie mir, selbst wenn Sie ein extrem rationaler Mensch sind: Unterbewusst läuft exakt das in Ihrem limbischen System ab, man kann sich gar nicht dagegen wehren!

Dann tragen wir die Beute heim. Ein paar Tage später wird gemeinsam gegessen. Das geschossene Reh, das Schweinchen, den Spießer natürlich. Gemeinsam zu essen wiederum führt bei allen Beteiligten zur Ausschüttung von Oxytocin. Oxytocin bewirkt eine starke Appetenz zur Bildung von Gruppen, von Freundschaften, es stärkt bestehende persönliche Bindungen bzw. verstärkt die Bereitschaft, neue einzugehen. Was dann später des Öfteren dazu führt, dass wieder Adrenalin in Verbindung mit Testosteron ausgeschüttet wird. Was dann die innerartliche Reproduktion fördert. Das Produkt daraus wiederum regt über das Kindchenschema die Oxytocin- Ausschüttung an…….

Man sieht, es ist so gut wie aussichtslos, da wieder rauszukommen. Und, ehrlich gesagt, wer will das schon? Denn es gibt ja nichts, absolut nichts dabei, was schädlich wäre oder sein könnte! Keine gesundheitliche Gefährdung, im Gegenteil; keine sozial nachteiligen Auswirkungen, auch ganz im Gegenteil. Es gibt keine Gesellschaftsgruppe in Deutschland, die derart auffällig weniger strafrechtlich in Erscheinung tritt wie gerade Jäger. Es gibt, erwiesen!, keine Gesellschaftsgruppe in Deutschland, die in vergleichbar stabilen sozialen Verhältnissen lebt. Das Gleiche trifft übrigens auch für das ganze familiäre Umfeld zu.

Das heißt: Gerade wir Jäger also sind mittendrin in den von so vielen ersehnten ursprünglichen Verhältnissen! Ich persönlich glaube, dass das der Grund dafür ist, dass wir unsere Passion so lieben, derart infiziert sind davon. Wir leben in einer Welt, die uns nicht nur vom Verstand aus sagt, dass wir richtig liegen, sondern uns das auch noch mit jeder Menge Glückshormone tagtäglich bestätigt. Was will man mehr? Lassen wir uns das nicht nehmen….

 

Kirchveischede, 10. Mai 2014

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Manfred Nolting

Ein Jagdmensch

 

 

Capreolus lapidarus swedensis


 

 

 

Capreolus lapidarus swedensis (deutsch: Schwedisches Steinreh); Foto: Manfred Nolting, Ljungby, 2004

 

 

Eine Unterart von capreolus, die ausschließlich in Schweden beheimatet ist, dort auch nur in den unwegsamen, vor allem felsigen Gebirgsgegenden; in Schonen beispielsweise, der Heimat kapitalen Rehwilds, kommt es nicht vor. Der Grund dafür ist offensichtlich die perfekte Anpassung an felsiges Terrain.

 

Der Traum eines jeden gestandenen Rehjägers ist die Erbeutung eines kapitalen Steinrehbocks. Zugegeben, nicht einfach; denn es ist schier unglaublich, wie diese Tiere sich tarnen können; das obige Bild spricht Bände. Das Foto entstand nach tage- und nächtelangem, geduldigem Warten im Tarnzelt. Das ist übrigens auch der Grund dafür, dass der übergroße Teil der europäischen Jägerschaft von der Existenz dieser subspecies bisher noch überhaupt keine Ahnung hat.

 

Kirchveischede, im August 2004


Vom Fußballspielen und Einkaufen – eine Parabel

Immer, wenn ich mich in Diskussionen mit so genannten Jagdgegnern wiederfinde, versuche ich, den wahren Grund für deren negative Einstellung zu finden, denn es handelt sich ja keineswegs nur um dumme und ungebildete Zeitgenossen. Im Gegenteil, in den allermeisten Fällen sind es durchaus gebildete, ja sogar intelligente Menschen, die eigentlich in der Lage sein müssten, die Gründe für ihre Ablehnung nachvollziehbar artikulieren zu können. Eine Reihe davon sitzt bei uns sogar in den Parlamenten, ein Wort, das sich ja von lat. parlere für reden ableitet. Aber da kommt meist nichts, nur verbiesterte Mienen. Es wird argumentiert damit, dass man als zivilisierter Mensch schließlich es nicht nötig habe, die süßen Bambis totzuschießen usw., man müsse einfach, wie es einmal jemand ausdrückte, seine „neandertaloiden“ Triebe im Griff haben und ähnliches mehr. Nebenbei, die gleichen Leute finden nichts dabei, im Zeichen von „zurück zur Natur“ ihre bestens genährten Hassos ohne Leine auch bei Tiefschnee durch den Wald zu schicken (Unserer jagt keine Bambis!!), zu jeder Tages- und Nachtzeit in den Einständen des Schalenwildes herumzuschleichen, um Pilze zu suchen, mit Mountainbikes pulkweise im Höllentempo durch den Wald zu preschen u. v. a. m. Es handelt sich auch nicht durchweg um Veganer o. ä., sondern um Menschen, die sich durchaus artgerecht ernähren, d. h., Fleisch konsumieren und sich daher bester Gesundheit erfreuen. Und da kommt mir immer ein altes Erlebnis in den Sinn.

Ich bin Dortmunder, genauer gesagt, Huckarder Junge, Jahrgang 1951 (von Geburt an deswegen BVB- Fan, aber das nur nebenbei). Wir lebten, als ich Kind war, in Mietshäusern der Bergbaugesellschaft, wie bei Bergarbeitern (oder Püttleuten) damals üblich. Dinge, ohne die heute menschliches Leben völlig unmöglich ist – Telefon, Satelliten- Fernsehen mit 200 Programmen, Computer, Internet, Handy, Twitter, Facebook, Öko- Autos -, gab es damals nicht. Wir haben nichts von all dem vermisst, einfach deswegen, weil wir es gar nicht kannten. Es gab noch keinen Urlaub in Italien, geschweige denn in der Karibik, sondern nur „hinterm Haus“ oder „im Gatten“. Es gab noch kein Sozialamt, sondern die „Fürsorge“, und wenn es irgendwo „eng wurde“, hatte man die Familie. Wir kamen aber gut mit dem klar, was wir hatten. Was es damals aber, im Gegensatz zu heute, im Überfluss gab, waren viele andere Kinder und Kumpels und Freunde, es gab jede Menge klettern und Cowboy spielen und Drachen steigen lassen, es gab Obst und Gemüse klauen mitsamt allfälligem anschließendem „Hose-stramm-ziehen“. Und es gab, vor allem, Fußball spielen, „pölen“ oder „batzen“ genannt.

So weit zur Vorbemerkung. Nun hatten wir eine Wohnungsnachbarin, nennen wir sie Tante R., damals gut Mitte 20, drei kleine Kinder und, sagen wir, ausgeprägt kurvig (sehr!). Kein Makel damals, im Gegenteil, Püttmänner mochten „watt Strammes im Aam“, wie man das nannte, die waren diesbezüglich allesamt Kenner. Diese Figur aber hatte auch Ursachen, vor allem anderen ein gesegneter Appetit auf gute Dinge wie Rinder- und Schweinebraten, Koteletts, damals noch gut marmoriert, mit ordentlichem Fettrand und entsprechend lecker, auf fetten Speck, Möppkenbrot, Panhas und die gute deutsche Wurst, alles mit möglichst viel „guter Butter“ gebraten bzw. ergänzt. Das war damals noch teuer, aber sie konnte sich das erlauben; Onkel Julius (ihr Mann, alle Erwachsenen waren damals für uns „Tante“ und „Onkel“) raubte unter Tage im Gedinge Strecke aus und verdiente für unsere damaligen Verhältnisse fürstlich.

Mein Problem war: Sie ging ganz normal, wie damals alle Hausfrauen, jeden Tag zum Einkauf. Nur wenn Wurst und Fleisch gekauft werden mussten (oft!), bat sie regelmäßig meine Mutter, mich für sie zum Metzger zu schicken, ca. zwei Kilometer von uns entfernt, Ecke Varziner Straße / Mattlacke (Metzger D. hatte anerkannt das beste Fleisch, die beste Wurst rundum). Natürlich zu Fuß, das kostete Zeit, während die Kumpels pölten. Klar, ich maulte jedes Mal, aber damals war es üblich, zu tun, was Mama und Papa sagten. Eines Tages dann aber fasste sich meine Mutter auf mein Drängen hin ein Herz und fragte die Nachbarin, warum sie denn nicht selbst zum Metzger gehe, schließlich mache sie den anderen Einkauf ja auch selbst. Dann kam`s:

„Weil ich datt nich so happ mittehn Mezzga. Der steeta in sein´ Laa´n, iss frointlich am grinsen un tuut wie Vatta bei die Tau´m. Dabei weiß geeda, datta den ganzen Tach nix andres tuut als die aam´ Tierkes umzubring´.“

(Für Nicht- Ruhrpöttler die (freie) Übersetzung: Weil der Metzger mich verunsichert. Der steht da in seinem Laden, lächelt freundlich und tut, als könne er kein Wässerchen trüben. Dabei weiß jeder, dass er den ganzen Tag nichts anderes macht als die armen Tierchen umzubringen.)

Bang! Darauf hätte nicht mal Buddha herausgeben können. Es gab nichts zu erwidern, jedenfalls nichts, was vor diesem Gebirge an Logik und Erkenntnis auch nur annähernd als Einwand hätte geltend gemacht werden können. Ich war schlicht überrollt. Mama auch. Damals, im zarten Alter von acht oder neun Jahren, entstand mein manchmal resigniertes, auf jeden Fall philosophisch- nachsichtiges Bild von meinen Mitmenschen. Ich erkannte, dass es Erdbeben, vor allem Äonen brauchen würde, ein derart solide fundamentiertes, durchdachtes und zutiefst in sich ruhendes Weltbild in ein normales, realitätsangepasstes umzuformen und dass ich kleiner Junge das bis zum Eintritt ins Erwachsenenalter auf keinen Fall schaffen konnte. Ich ging weiter zum Metzger. Pölen hin, batzen her. Keine Diskussionen.

Manfred Nolting

Ein Jagdmensch