Die Jagd und die hormongesteuerte Gefühlswelt

Die Jagd und die hormongesteuerte Gefühlswelt

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Die Natur hat viele Wege, Anreize zu setzen. Wenn die ganz elementaren wie z. B. Hunger oder Durst nicht reichen, setzt sie gern auch schon mal andere ein, z. B. Endorphine. Das sind bekanntlich vom Körper selbst produzierte Opioide, die starke psychogene Wirkungen entfalten. Adrenalin, Serotonin, Dopamin, Oxytocin, was gibt es da nicht alles. Und gerade wir Jäger sind ihre leichte Beute. Weil wir Beute machen. Ich will einmal versuchen, nachzuzeichnen, was da im einzelnen in uns abgeht:

Zunächst einmal beginnt es mit der bekannten Unruhe: Es könnte sich ja was tun im Revier. Im Fernsehen gibt´s sowieso nichts, Frau und Kinder sind beschäftigt. Die Unruhe überträgt sich auf Deinen Hund – oder von dem auf Dich. Bei Perry Rhodan war Telepathie eine Fiktion – bei Jäger und Hund ist sie eine Tatsache. Also Entschuldigung gemurmelt, Hund an den Strick, alles eingepackt, los. Dann bist du im Revier. Und jetzt geht es los: Du suchst (unbewusst!) nach dem AAM, dem „angeborenen auslösenden Mechanismus“ oder „Schlüsselreiz“. „Appetenzverhalten“ nannte der berühmte Ethologe Konrad Lorenz das Ganze. (Ganz richtig, das hat was mit „Appetit“ zu tun.) Idealerweise begegnet der Schlüsselreiz Dir dann in Gestalt des Bocks, des lange gesuchten Eissprossenzehners, des kapitalen Bassen. Oder einfach als Winterfuchs.

Jetzt beginnt schlagartig das Adrenalin zu wirken. Wir kennen das alle: Diese vollständige Fokussierung, das Ausblenden der Außenwelt, einzig Dein Hund hat noch Zugang zu Dir (wenn er dabei ist, und dann gilt umgekehrt das Gleiche!). Es könnte jetzt alles passieren, der BVB 10 zu 0 verlieren: Völlig bedeutungslos. Alles, was Du siehst, ist Dein AAM oder Schlüsselreiz in Gestalt des Bocks, des Schweins, des Hirschs. Und alles was wirkt, ist Adrenalin. Dann kannst Du endlich schießen, das Stück liegt. Du lädst nach, wartest. Dann los, Du bist am Stück, bist sicher. Abblasen ist angesagt, langsame Entspannung. Jetzt kommt die Umschaltung, Adrenalin wird abgebaut, Ruhe tritt ein. Erst mal fünf Minuten sitzen, runterschalten. Und mählich schleicht sich diese Entspannung ein, dieses gute Gefühl, diese Zufriedenheit, die wir alle kennen: Beute gemacht!

Beute gemacht zu haben bewirkt jetzt nämlich die Ausschüttung der Belohnungs- oder Glückshormone Dopamin und Serotonin. Das ist so, bei jedem Menschen. Sie rufen nach der erfolgreichen Jagd folgende Gefühle hervor: „Gut gemacht!“ und „Das Essen für die nächsten Tage ist gesichert!“ Bei Ihnen nicht? Ich wäre da nicht so sicher. Glauben Sie mir, selbst wenn Sie ein extrem rationaler Mensch sind: Unterbewusst läuft exakt das in Ihrem limbischen System ab, man kann sich gar nicht dagegen wehren!

Dann tragen wir die Beute heim. Ein paar Tage später wird gemeinsam gegessen. Das geschossene Reh, das Schweinchen, den Spießer natürlich. Gemeinsam zu essen wiederum führt bei allen Beteiligten zur Ausschüttung von Oxytocin. Oxytocin bewirkt eine starke Appetenz zur Bildung von Gruppen, von Freundschaften, es stärkt bestehende persönliche Bindungen bzw. verstärkt die Bereitschaft, neue einzugehen. Was dann später des Öfteren dazu führt, dass wieder Adrenalin in Verbindung mit Testosteron ausgeschüttet wird. Was dann die innerartliche Reproduktion fördert. Das Produkt daraus wiederum regt über das Kindchenschema die Oxytocin- Ausschüttung an…….

Man sieht, es ist so gut wie aussichtslos, da wieder rauszukommen. Und, ehrlich gesagt, wer will das schon? Denn es gibt ja nichts, absolut nichts dabei, was schädlich wäre oder sein könnte! Keine gesundheitliche Gefährdung, im Gegenteil; keine sozial nachteiligen Auswirkungen, auch ganz im Gegenteil. Es gibt keine Gesellschaftsgruppe in Deutschland, die derart auffällig weniger strafrechtlich in Erscheinung tritt wie gerade Jäger. Es gibt, erwiesen!, keine Gesellschaftsgruppe in Deutschland, die in vergleichbar stabilen sozialen Verhältnissen lebt. Das Gleiche trifft übrigens auch für das ganze familiäre Umfeld zu.

Das heißt: Gerade wir Jäger also sind mittendrin in den von so vielen ersehnten ursprünglichen Verhältnissen! Ich persönlich glaube, dass das der Grund dafür ist, dass wir unsere Passion so lieben, derart infiziert sind davon. Wir leben in einer Welt, die uns nicht nur vom Verstand aus sagt, dass wir richtig liegen, sondern uns das auch noch mit jeder Menge Glückshormone tagtäglich bestätigt. Was will man mehr? Lassen wir uns das nicht nehmen….

 

Kirchveischede, 10. Mai 2014

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Manfred Nolting

Ein Jagdmensch

 

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